US-Wahljahr: Sie wissen, wofür er steht

Nr. 17 –

Donald Trump hat gute Chancen, ins Weisse Haus zurückzukehren, die Republikanische Partei ist seinem radikalen Kurs beinahe komplett erlegen. Wer genau ist heute deren Basis?

Anhänger:innen jubeln Trump zu, im Februar in Charleston in South Carolina
Trump vermag längst auch in den urbanen Zentren Wähler:innen zu mobilisieren, wie hier im Februar in Charleston in South Carolina. Foto: Jabin Botsford, Getty

Letzte Woche veröffentlichte das Institut für Politik der Harvard-Universität eine Studie, der zu entnehmen war, dass gerade mal 53 Prozent der 18- bis 29-jährigen wahlberechtigten Amerikaner:innen fest vorhaben, am 5. November an der Präsidentschaftswahl teilzunehmen. Grossmehrheitlich trauen die Befragten weder dem aktuellen Präsidenten Joe Biden, noch dem möglichen Rückkehrer Donald Trump die Führung des Landes zu. Nur 9 Prozent sind der Ansicht, dass sich die USA grundsätzlich in die richtige Richtung bewegten.

Es sind Ergebnisse, die einen problematischen, ganz grundsätzlichen Trend in den USA bestätigen. Bereits bei der letzten Präsidentschaftswahl 2020 haben lediglich 54 Prozent der 18- bis 29-Jährigen ihre Stimme abgegeben. In keiner anderen Altersgruppe ist die Entfremdung vom politischen System so ausgeprägt wie bei jener, die am längsten mit diesem wird leben müssen. Was zudem auffällt: Unter jungen Hispanics und Afroamerikaner:innen ist die Wahlabsicht besonders gering.

Skandale und Signale

Ein halbes Jahr vor der Wahl ist die Stimmung im Land – den Wahloptionen entsprechend – eher schlecht. «Ängstlich» und «enttäuscht» blicken die Amerikaner:innen laut einer aktuellen Umfrage der «New York Times» auf die Neuauflage des Rennens zwischen Biden und Trump. Der Präsident kann zwar einige Reformen wie etwa den gigantischen wirtschaftspolitischen Inflation Reduction Act vorweisen – hat aber sein hohes Alter, alarmierende Umfragewerte in entscheidenden Bundesstaaten wie auch eine linke Opposition insbesondere wegen seiner Israelpolitik gegen sich. Herausforderer Trump wiederum ist seit vergangener Woche der erste Expräsident der US-Geschichte, gegen den ein Strafprozess läuft. Das Verfahren, in dem es um die Vertuschung einer Schweigegeldzahlung an die ehemalige Pornodarstellerin Stormy Daniels geht, ist nur eines von mehreren, die Trump ins Gefängnis bringen könnten.

Das grösste Problem mit Trump sind aber weiterhin nicht die Skandale, die er produziert, sondern die von ihm ausgesandten Signale, die immer ungehemmter faschistoid erscheinen. Über Immigrant:innen sagt er, dass sie «das Blut unseres Landes vergiften»; seinen politischen Gegner:innen droht er mit Strafverfolgung und «Ausrottung». Sollte Trump erneut gewinnen, würde er dort weitermachen, wo er 2020 aufgehört hat: die Mauer zu Mexiko weiterbauen, Steuern für Reiche und Unternehmen senken, die fossile Wirtschaft stärken und reaktionäre Richter:innen und Staatsbeamte installieren.

Republikanisch regierte Bundesstaaten hätten es mit Trump im Weissen Haus noch einfacher, Abtreibungs- und Wahlrechte einzuschränken sowie trans Menschen die Gesundheitsversorgung zu entziehen. Wahrscheinlich ist zudem, dass sich die USA aus internationalen Verträgen wie dem Pariser Klimaabkommen verabschieden würden, eventuell auch aus der Nato. Die Unterstützung der Ukraine im Verteidigungskrieg gegen Russland könnte eingestellt werden.

Die Republikanische Partei hat sich unter Trump radikalisiert, dadurch aber nicht an Rückhalt verloren. Im Gegenteil: Wie das Forschungsinstitut Pew Research Center Anfang April bekannt gab, wollen 48 Prozent jener, die sich bereits für die Wahl registriert haben, sicher oder wahrscheinlich republikanisch wählen. Nicht zu vergessen: Donald Trump wurde 2020 zwar nicht wiedergewählt – hat aber insgesamt über elf Millionen Stimmen mehr bekommen als 2016. Die Leute wissen längst, wofür er steht. Ähnlich wie im Fall der AfD in Deutschland und anderer rechter Parteien in Europa – und entgegen der noch immer oft geäusserten Hoffnung, wonach sich extrem rechte populistische Kräfte unter Scheinwerferlicht entzaubern – wird die Republikanische Partei nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer extremen Forderungen gewählt.

Als Trump 2016 die Wahl gegen Hillary Clinton gewann, setzte sich ein Erklärungsnarrativ schnell durch: Die Arbeiter:innenklasse, von der Deindustrialisierung zerrüttet und von den liberalen Eliten vergessen, äussert ihren Protest, indem sie dem rassistischen MAGA-Versprechen folgt: «Make America Great Again.» Die Erzählung hat insofern etwas Wahres, als der Frust über die ökonomischen Bedingungen sowie die Dämonisierung von Immigrantinnen und Muslimen tatsächlich viele Menschen zu Trump geführt hat, und das besonders stark in Rust-Belt-Staaten wie Michigan und Wisconsin. Gleichzeitig ist diese Erzählung aber auch verzerrend, weil die Arbeiter:innenklasse wesentlich diverser ist, als oft suggeriert wurde – und Trump längst nicht nur von weissen Fabrikarbeiter:innen unterstützt wurde und wird.

Wer also bildet heute tatsächlich die Basis der Republikanischen Partei?

Gewaltbereite Oberschicht

Das Pew-Institut veröffentlichte im vergangenen Jahr einen Bericht, für den die Wähler:innenstruktur der zwei letzten Präsidentschafts- (2016 und 2020) und Halbzeitwahlen (2018 und 2022) ausgewertet wurde. Interessant sind die Ergebnisse allein deshalb, weil sie viel über politischen Zugang und Macht aussagen. Insgesamt geben weisse Amerikaner:innen häufiger als nichtweisse ihre Stimme ab; Menschen mit College-Abschluss und Vermögen häufiger als solche ohne; ältere häufiger als jüngere. Dasselbe Missverhältnis bildet sich noch verstärkt im US-Kongress ab, der von weissen, alten, reichen Männern dominiert wird.

Schaut man nun die Basis der beiden Parteien an, zeigen sich deutliche Unterschiede. Die Republikanische Partei wird vorrangig von Weissen, Evangelikalen und Männern gewählt, von Menschen, die in ländlichen Regionen leben, keinen Hochschulabschluss haben und über 65 Jahre alt sind. Wenn man vom Bildungsgrad auf die Klassenposition schliesst, und Umfragen zum eigenen Klassenverständnis der US-Amerikaner:innen hinzunimmt, dann lässt sich tatsächlich feststellen, dass Angehörige der Arbeiter:innenklasse in den vergangenen Jahrzehnten millionenfach von der Demokratischen zur Republikanischen Partei gewechselt sind.

Aber auch wenn sich Trump gern als Kandidat der «kleinen Leute» inszeniert: In seinen vier Amtsjahren hat er gegen sie einen knallharten Klassenkampf von oben betrieben. Seine Steuerreform etwa, die im Januar 2018 in Kraft trat, nützte in erster Linie Haushalten mit einem Jahreseinkommen zwischen 359 000 und 540 000 US-Dollar, sprich: den reichsten zwei Prozent der Bevölkerung. Und die Oberschicht profitiert nicht nur still und leise von Trumps Politik, sondern engagiert sich tatkräftig dafür; sie ist, vielleicht etwas überraschend, auch Teil von dessen gewaltbereiter MAGA-Bewegung. Das wurde unter anderem beim Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021 deutlich. Unter den damals in Washington Festgenommenen waren laut einer Studie der Universität von Chicago mehr als die Hälfte in sogenannten White-Collar-Berufen tätig, also zum Beispiel als Geschäftsinhaber, CEOs, Ärztinnen, Anwälte oder Architektinnen.

Die Basis bricht weg

Und die Demokrat:innen? In der Politikwissenschaft ist von einem «dealignment» die Rede. Gemeint ist mit der Wortschöpfung eine Abwendung: Die Partei hat in den letzten Jahren vor allem in der weissen Arbeiter:innenklasse an Rückhalt verloren, die alte Basis bricht also weg. Das spiegelt sich in der Einkommensstruktur der demokratischen Wähler:innen wider; das Kurvendiagramm dazu weist eine U-Form auf, vor allem geringverdienende und sehr wohlhabende US-Amerikaner:innen unterstützen die Partei heute. Überproportional vertreten sind dabei Jüngere und Frauen, Hochschulabsolventinnen und Stadtbewohner – sowie hispanische, asiatische und Schwarze Wähler:innen. Wobei sich aber insbesondere innerhalb der hispanoamerikanischen Bevölkerung ein Rückgang feststellen lässt, was alarmierend ist, weil keine Minderheit in den USA so stark wächst wie diese.

Aus demokratischer Sicht stellt sich also primär die Frage, wie die Arbeiter:innenklasse zurückgewonnen werden kann. Dies entscheidet sich nicht nur in Washington, es ist vor allem auch der Einsatz der Politiker:innen in den einzelnen Bundesstaaten nötig. Das linke Forschungsinstitut Center for Working Class Politics ist in verschiedenen Studien zu relativ einfachen Antworten gelangt: Zum einen sollten Kandidat:innen ökonomische und sozialpolitische Themen in den Mittelpunkt stellen, also etwa für ein bedingungsloses Grundeinkommen oder eine staatliche Krankenkasse für alle kämpfen. Solche Forderungen, in direkter Sprache kommuniziert, kommen insbesondere in ländlichen Wahlbezirken und bei Menschen ohne College-Abschluss gut an – genau dort also, wo die Demokrat:innen zuletzt verloren haben.

Ebenso kam heraus, dass Kandidat:innen, die selbst aus der Arbeiter:innenklasse stammen, besser abschneiden. Vor allem dann, wenn sie sich mit dem politischen und wirtschaftlichen Establishment anlegen – und nicht davor zurückschrecken, wo immer nötig auch das Versagen der Demokratischen Partei selbst anzusprechen.

Politische Durchbrüche : Gewerkschaftsgründung und Ukrainehilfe

Was die Demokratische Partei in den vergangenen Jahren verpasst hat, ist der US-Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) gelungen: Sie hat sich von unten reformiert und kämpft nun glaubwürdig und offensiv für ihre Mitglieder.

Die neue Kraft wurde vergangene Woche deutlich, als eine überwältigende Mehrheit der Belegschaft eines Volkswagen-Werks in Chattanooga, Tennessee, für eine Vertretung durch die UAW stimmte. Das ist aus mehreren Gründen von grosser Bedeutung: Zum einen hatte die Gewerkschaft noch 2014 und 2019 vergeblich versucht, das Werk zu organisieren. Zum anderen herrscht im Süden der USA eine noch gewerkschaftsfeindlichere Grundstimmung als im Rest des Landes, weshalb viele Unternehmen dort produzieren lassen. Das macht den Erfolg besonders wertvoll.

Von Vorteil für die UAW war, dass sie in der Belegschaft auf ihre historischen Streiks im vergangenen Herbst verweisen konnte: Sechs Wochen lang hatten Beschäftigte in den Werken von General Motors, Ford und Stellantis ihre Arbeit niedergelegt und damit eine Lohnerhöhung von 25 Prozent erkämpft (siehe WOZ Nr. 42/23). Ein neuer Tarifvertrag soll nun auch bald bei Volkswagen verhandelt werden. «Der wirkliche Kampf beginnt erst jetzt», sagte UAW-Präsident Shawn Fain. Einen weiteren Meilenstein könnte die Gewerkschaft Mitte Mai erreichen: Dann stimmen die Beschäftigten eines wichtigen Mercedes-Werks in Alabama über einen Beitritt zu den UAW ab.

In der Bundespolitik hat sich das Repräsentantenhaus derweil auf neue Hilfspakete für die Ukraine, Israel und Taiwan geeinigt. 95 Milliarden Dollar sind insgesamt vorgesehen, 61 Milliarden davon gehen an die Ukraine. Ein Grossteil fliesst dort direkt ins Militär für den Verteidigungskrieg gegen Russland, hohe Summen aber auch in den Staatshaushalt und die Wirtschaft des Landes. Monatelang war das Gesetz durch den isolationistischen Flügel der Republikaner:innen blockiert worden, deren Wortführerin die radikale Trump-Jüngerin Marjorie Taylor Greene ist. Mike Johnson, republikanischer Sprecher des Repräsentantenhauses, konnte schliesslich aber genug Stimmen organisieren.