Serie: Tiefsinn auf Hochsee
Für Netflix war «Dark» (2020) wegweisend: Die Serie war die erste in Deutschland entwickelte und produzierte, ihr Erfolg beim Publikum bahnte anderen internationalen Produktionen auf dem Streamingdienst den Weg. Allerdings war die Story des Mysteryhits eine Zumutung, Plot-Twists erhielten zuverlässig obskurantistische Auflösungen, was die Darsteller:innen zu kompensieren versuchten, indem sie immerzu tiefsinnig dreinschauten.
Nun ist der «Dark»-Nachfolger «1899» gestartet. Die Handlung der Mysteryserie hebt dieses Mal an Deck eines gigantischen Ozeandampfers im titelgebenden Jahr an. Auf dem Weg von London nach New York empfängt dieser den Notruf eines baugleichen Schiffs, das seit Monaten verschwunden ist, weswegen Kapitän Eyk Larsen (Andreas Pietschmann) Kurs setzen lässt, um nach den Verschollenen zu suchen. Tatsächlich findet man das Schwesterschiff; allerdings fehlt von den Passagier:innen jede Spur. Nur ein Junge hat überlebt – dummerweise bringt der aber keinen Ton mehr über die Lippen, kann also das Rätsel, was an Bord passiert ist, nicht auflösen.
Auch sonst gibts reichlich Kommunikationsprobleme, da die Protagonist:innen aus aller Welt stammen und immer wieder mal etwa eine Chinesin einen Polen auf Mandarin vollquatscht, dieser aber nichts versteht – ein lustiger Drehbucheinfall. Der zunehmend aufgekratzte Kapitän stellt derweil bald Mutmassungen über eine Verschwörung der Reedereigesellschaft an; die Zuschauerin aber ahnt, dass grössere Kräfte am Werk sein müssen – wozu auch sonst die vielen Fingerzeige, dass hier Verborgenes seiner Entschlüsselung harrt? Mal wird auf die Mysterien des Gehirns verwiesen, dann Platons Höhlengleichnis zitiert, dazu kommt allerlei symbolistischer Schnickschnack. Genauso raunend ging es schon bei «Dark» zu. Wo aber ein Skript noch dem letzten Detail die Aura des Bedeutungsvollen zu verpassen versucht, wirkt früher oder später einfach alles ziemlich egal.
«1899», 1. Staffel. Idee: Jantje Friese, Baran bo Odar. Deutschland 2022. Netflix.
