Credit Suisse: Hässig spuckt in die PR-Suppe

Nr. 51 –

Die Schweizer Grossbank Credit Suisse verklagt das Portal «Inside Paradeplatz» des Finanzjournalisten Lukas Hässig. Dieser setzt sich seit Jahren kritisch mit der Bank auseinander. Will die CS eine unliebsame Stimme mundtot machen?

Von Montag bis Freitag ist er um sechs Uhr morgens im Büro und haut dann innerhalb von nur zwei Stunden in die Tasten, was er Neues über die Finanzwelt erfahren hat. So entstehen täglich zwei, drei Texte, die er auf sein Newsportal «Inside Paradeplatz» stellt. Oft kolportiert er Gerüchte und Insiderinformationen, oft auch fasst er pointiert neue Artikel aus der Wirtschaftspresse zusammen und reichert sie mit Hintergrundwissen an.

Der 58-jährige Lukas Hässig ist in der Zürcher Banken- und Medienwelt eine Institution. Er ist die Stimme der einfachen Bankangestellten, die die Banken und ihre Geschäfte nicht grundsätzlich infrage stellen, sich aber über die gigantischen Boni ihrer Chefs und deren angebliche Inkompetenz nerven.

Am Montag ist bekannt geworden, dass die Grossbank Credit Suisse (CS) eine Klage gegen Hässig eingereicht hat. Die CS beanstandet alle 52 Beiträge, die auf «Inside Paradeplatz» zwischen dem 27. Juli und dem 28. Oktober erschienen sind und in irgendeiner Form mit der CS zu tun haben. Hässig habe «die Führungsequipe» der Bank «der Lächerlichkeit preisgegeben» und die Bankengruppe «verächtlich gemacht, ja schlichtweg totgeschrieben».

«Psychisch belastend»

Wieso beginnt die CS mit dem 27. Juli? Es ist der Tag, an dem bekannt wird, dass Ulrich Körner neuer CEO wird. Die Bank verkündet, dass nun eine neue Ära beginne. Mit weiteren Skandalen soll es vorbei sein, eine «fundamentale Transformation» werde vollzogen. Doch Hässig hört nicht auf, die Bank zu kritisieren: Er hinterfragt die Kompetenz des neuen CEO («ein Machtmensch, ein Hinterzimmer-Manager»), die Strategie bei der Loslösung eines Teils der Investmentbank («Perlen werden verramscht, Problemberge bleiben») oder auch die neuen Geldgeber aus Saudi-Arabien («CS wird Credit Saudi»).

Gerichtsklagen gegen Hässig sind nichts Neues. Mit seinem boulevardesken Stil, seinen Zuspitzungen und Gerüchten eckt er regelmässig an – und geht mitunter auch zu weit. Kürzlich klagte die Wirtschaftsjournalistin Patrizia Laeri gegen ihn, weil er sie in einem Artikel als «Girl» verspottet hatte. Das sei sexistisch. Inzwischen sei die Sache erledigt, sagt Hässig. Er musste einige Passagen aus seinen Texten entfernen. Laeri habe eine Entschädigung von 2500 Franken zugesprochen erhalten, die an vier Frauenhäuser gegangen seien. Doch habe er in fünf von acht Punkten recht erhalten.

Die CS hatte schon 2015 wegen drei Texten gegen Hässig geklagt. Damals ging es darum, dass er die Bank mit der Fifa verglich, sie sei eine kriminelle Organisation. Das bezog sich darauf, dass sich die CS 2014 in den USA wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung schuldig bekannt hatte und eine Busse von 2,6 Milliarden US-Dollar bezahlte. Doch eine mafiaähnliche Organisation sei die Bank damit nicht, entschied ein Gericht. Hässig musste einen Text löschen, die zwei anderen jedoch konnten stehen bleiben.

Bei der jetzigen Klage der CS geht es um einen Streitwert von 300 000 Franken. Für Hässig bedeutet die Klage viel Arbeit, aber vor allem ein hohes finanzielles Risiko. «Das ist psychisch ziemlich belastend», sagt er gegenüber der WOZ. Er schreibe aus Prinzip kritisch. «Das hat auch seine Berechtigung. Viele andere Medien sind viel zurückhaltender und kritisieren erst im Nachhinein.»

Ist die Klage folglich der Versuch, eine kritische Stimme zum Schweigen zu bringen? Die CS hat bis Redaktionsschluss zu Fragen der WOZ keine Stellung genommen. Der Wirtschaftsnachrichtenagentur AWP sagte die Bank, die Klage sei «zum Schutz unserer Mitarbeiter geschehen, die regelmässig beschimpft und verunglimpft werden».

Einschüchterungen nehmen zu

Doch das Vorgehen der CS erinnert stark an Klagen, die mit der englischen Abkürzung «Slapp» bezeichnet werden: «strategic lawsuit against public participation»; Klagen also gegen NGOs und Medien mit dem Ziel, diese einzuschüchtern und weitere kritische Berichte zu verhindern. Solche Klagen werden auch in der Schweiz immer häufiger. Laut einer Umfrage des Hilfswerks Heks von Anfang 2022 sind sechs von elf befragten NGOs in gerichtliche Auseinandersetzungen verwickelt, einige davon mehrfach. Im Parlament ist derzeit ein Vorstoss hängig, der die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage gegen Slapp-Klagen fordert. Grundlose Klagen sollen schnell abgewiesen werden können.

Lukas Hässig sagt, dass er seit dem 27. Juli immer wieder in Kontakt mit Anwälten der CS stand, die ihn auf problematische Stellen in seinen Texten hingewiesen hätten. Wenn er die Kritik als berechtigt angesehen habe, habe er die Texte auch verändert. Laut Hässig ist die CS nie an den Presserat gelangt, der Beschwerden beurteilt und über die Einhaltung des für Journalist:innen gültigen Kodex wacht.

Derzeit sieht es nicht so aus, als ob sich Hässig einschüchtern lässt: So hat er am Mittwoch bereits wieder einen kritischen Artikel über die CS veröffentlicht, ausgehend von einem unkritischen Interview der NZZ mit André Helfenstein, dem Schweiz-Chef der Bank. Angereichert hat er seinen Text mit Informationen eines Insiders und viel Hintergrundwissen. Genau das halt, was Journalist:innen so machen.