Holcim: Die Klage zielt auf den Kern
«Als Europäer und Schweizer dürfen wir nicht vergessen, in der Welt hat sich eine Klageindustrie etabliert. Öffnet sich eine Tür spaltbreit, wird das gnadenlos ausgenutzt»: Das Zitat stammt von Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder. In der «Finanz und Wirtschaft» äusserte er sich am Montag zur Klage von vier Indonesier:innen gegen den Schweizer Zementkonzern Holcim.
Beim Dachverband der Schweizer Unternehmen scheint sich eine gewisse Besorgnis breitzumachen. Es geht um viel – ein Schuldspruch könnte richtungsweisend sein. Die vier Bewohner:innen der Insel Pari verlangen von Holcim eine Entschädigung, weil ihre Heimat Stück für Stück im Meer versinkt. Schon jetzt versalzen die Brunnen, werden die Felder überschwemmt. Mäder sagt dagegen, es gehe nicht «um Recht und Gerechtigkeit», sondern um ein «riesiges Geschäft».
Economiesuisse befindet sich in einem Argumentationsnotstand, denn die Klage beruft sich auf einen Grundsatz, der so alt ist wie die Menschheit: Wer einen Schaden verursacht, muss dafür haften. Es gibt keinen Grund, weshalb das nicht auch beim Klima so sein soll.
Laut dem Climate Accountability Institute hat Holcim zwischen 1950 und 2021 7,15 Milliarden Tonnen CO₂ ausgestossen: 0,42 Prozent der weltweiten industriellen Emissionen. Müsste der Konzern für die Schäden infolge dieses Ausstosses vollumfänglich aufkommen, hätte er allein 2021 über 21 Milliarden Franken Entschädigungen leisten müssen. Doch stattdessen zahlte Holcim in diesem Jahr 2,4 Milliarden an seine Aktionäre – Geld, das eigentlich Menschen wie den Bewohner:innen von Pari zustehen würde.
Statt von «wir» gegen «sie» zu schwafeln und Gerichtsklagen zu diskreditieren, sollte Economiesuisse sich der Vergangenheit stellen – und anerkennen, dass viele Schweizer Konzerne die Klimaschäden mitverursacht haben. Als Dachverband wäre es an ihr, Lösungen zu erarbeiten, wie diese Schuld abgetragen werden kann.