Pop: Ein kurzes Leben lang

Nr. 8 –

Wenn heute ein Musiker daherkommt und erleuchtet davon berichtet, dass er den Tag damit verbracht hat, einen Staubsauger aufzunehmen, wird daraus wahrscheinlich gar kein so spannendes Gespräch entstehen. Es scheint subversiver, mit einem Staubsauger einfach mal die Wohnung sauber zu machen – aber davon nur am Rand: Der Australier Patrick Gibson hätte es wohl schon in den achtziger Jahren nicht für nötig gehalten, mit seinen ausserordentlichen Studioschöpfungen hausieren zu gehen. Mit dieser Musik, die er ein kurzes Leben lang aus den Wolken zu stehlen schien.

Jedenfalls fühlt sich die eben erschienene Anthologie «Elbow Room in Paradise» etwa so an, als wären die Stücklein aus elf Jahren einem tagträumerischen Geist eher entwischt, als dass sie mit kräftiger Signatur versehen worden wären. Das macht die Entdeckungslust umso grösser: Ganz ins Flirren der Modulationseffekte verwickelt, in eiernde Echoschlaufen, tatsächlich auch Staubsaugerrauschen und manches Humpelnde, kommen wir diesem Gibson auf die Spur, einem sogar vom Internet fast vergessenen Meister des kleinen Schalks. Im Limbo von «Catatonic», im Aberwitz von «When a Band of Men» oder mit dem Schlaflied «Music for Turtles», das sich über Brian Eno vielleicht genauso lustig macht, wie es sich vor ihm verneigt.

Ein seltsamer Frieden geht von diesen knapp zwanzig Liedern aus, ja, irgendwie sind es doch Lieder, fast Geschichten, worin sie sich wiederfinden dürfen: die Erdkinder, die es als ein Glück begreifen, zu dieser Musik wegzudösen, nur um schön verstört aufzuschrecken bei Stücklein Nummer neunzehn, im komödiantischen Aufbegehren von «5–4 Fisted Tales of the Holy Trinity». Ein seltsamer Frieden – und Patrick Gibson, den vor knapp vier Jahren der Krebs verstummen liess, hat vielleicht als Letztes noch gesagt: Thank me later.

Cover der CD «Elbow Room in Paradise» von Patrick Gibson

Patrick Gibson: «Elbow Room in Paradise». Efficient Space. 2023.