Theater: Kampfansage mit Gegenwartsbezug

Nr. 8 –

Der Appell zur Selbstkritik ist laut und frontal. Gleich zu Beginn schleudert ein Arbeiter und Migrant aus dem Globalen Süden dem Publikum entgegen: «Ich weiss, das ist nicht der Ort für unsere Worte. […] Aber ihr braucht uns.» Er prangert Europas Migrationspolitik an und die Scheinheiligkeit, mit der das Publikum die Augen verschliesse vor seinen «Aussenquartieren», «in die der Dreck der Herstellung eurer Öko-bio-Taschen, eurer Öko-bio-Autos, eurer fucking Öko-bio-Flaschen fliesst».

Es ist das erste von vier Bildern, mit denen die peruanische Künstlerin und politische Aktivistin Daniela Ortiz in ihrem Bühnenspiel «Take my blood and write on the soil, the people must know that we are being taken prisoners» mit einer «kolonialen, ungleichen Welt» abrechnet. Zwei weitere zeigen eine Politikerin, die sich als Vorkämpferin für Gleichstellung gibt, zugleich aber Gewalt an Protestierenden legitimiert, und personifizierte Pflanzen aus dem Globalen Süden, die blutige Rache an ihren Kolonisator:innen planen. Das letzte Bild beleuchtet den Fall sechs peruanischer Arbeiter:innen, die 1979 bei der Besetzung einer Textilfabrik in gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften getötet wurden. Das Ereignis, auf das der Titel des Stücks anspielt, präsentiert die Künstlerin als Folge von Machtverhältnissen, die für sie seit der Kolonialzeit bestehen.

Ortiz, die radikale und kontroverse Positionen vertritt, greift für ihre wütenden Botschaften auf Humor, fantastische Welten und kindliche Mittel wie Handpuppen zurück. Ihr subjektiver Blick auf Ereignisse steht dabei im Vordergrund. Öfters spannt sie den Bogen zu den aktuellen Protesten in Peru, bei denen seit Dezember mehr als sechzig Personen durch die Sicherheitskräfte getötet wurden. Am Ende wird die Interimspräsidentin Dina Boluarte auf einem Banner als Mörderin bezeichnet. Nicht alle Referenzen sind für ein europäisches Publikum so klar dechiffrierbar wie diese. In jedem Fall aber regt das Stück zum Nachdenken an.

Szene aus dem Theaterstück «Take my blood and write on the soil …. Eine antikoloniale Verneigung vor der Cromotex-Gewerkschaft»

«Take my blood and write on the soil …. Eine antikoloniale Verneigung vor der Cromotex-Gewerkschaft» in: Zürich, Theater Neumarkt, bis 25. Februar 2023.   www.theaterneumarkt.ch