Wichtig zu wissen: Der Parteikoloss
Ruedi Widmer über dramatische Entwicklungen bis zu den Wahlen im Herbst

Die Reaktionen auf den Zusammenbruch der Credit Suisse verstärken den Eindruck, der kleine Mann von der Strasse, der schon der bessere Fussballtrainer und Politiker ist, wäre auch der bessere und vernünftigere Banker. Die Wutausbrüche über die Bankster sind mir bei aller berechtigten Kritik deshalb auch etwas unheimlich.
Diese brodelnde Volksenergie anzuzapfen, das ist nämlich das Ziel der Parteien für die Wahlen im Herbst. Dass dabei die SP eigentlich einen Vorteil hat, ist offenkundig. Sie hat bislang eine gute Figur gemacht in der Kritik der Vorgänge und hat zumindest die moralische Schweiz auf ihrer Seite. Andererseits schafft es die finanzindustrienahe SVP wieder einmal raffiniert, den Eindruck zu erwecken, sie habe nichts mit allem zu tun. Mit ihrer Schuldzuweisung an den Freisinn kann sie im Herbst voraussichtlich einen Wahlsieg feiern.
Die systemrelevante FDP wird bereits im April zu wanken beginnen. Ihre Wähler:innen laufen in Scharen davon. Das Geld wird knapp, das Vertrauen in die Partei sinkt. Ein Verkauf von Sitzanteilen (49,9 Prozent) dieser urschweizerischen Institution ins Ausland ist also durchaus möglich. Dass Saudi-Arabien in die FDP einstiege und Thierry Burkart seinen Sitz mit einem Vertreter Muhammad bin Salmans teilen müsste, klingt zuerst einmal gewöhnungsbedürftig, ist aber, wie alles Undenkbare, im Jahr 2023 denkbar.
Gut die Hälfte der FDP-Nationalrätinnen und -räte wären dann Saudis, vornehmlich Männer, Scheichsöhne, die dann bei langweiligen Debatten ganz katarisch schnell das Nationalratsstadion verlassen würden und, dem eigenen inneren Köppel nachgebend, bei den Abstimmungen gar nicht mehr anwesend wären.
Finanzministerin Karin Keller-Sutter müsste sich den neuen saudischen FDP-Regeln unterwerfen und unter der Burka hervorregieren. Ignazio Cassis könnte sich als Tessiner immerhin noch auf das dortige pionierhafte Burkaverbot berufen und weiterhin in Anzug und Krawatte bundesräteln.
Dieses Szenario wäre für den Politikstandort Schweiz eine Katastrophe. Denn wie bin Salman bei Wahlniederlagen der FDP reagieren würde, ist eine weitere Frage. Es ist nicht ganz abwegig anzunehmen, dass er dann Thierry Burkart in einen Hinterhalt locken und ihn dort mit einer Knochensäge in mehrere Teile zersägen würde. Das verträgt sich schlecht mit unserem Milizsystem, unseren Werten und unserem demokratischen Dialog.
Deshalb kann man davon ausgehen, dass eben doch der Bund einspringt und mit allen Mitteln die FDP in der Schweiz zu halten versucht. Sie drängt die SVP, die FDP für vier Franken zu übernehmen. Die SVP zeigt sich zuerst desinteressiert und willigt erst ein, als der Bund den Preis auf zwei Franken senkt.
Es entsteht damit ein Parteikoloss, der zwar wieder eine gewisse Stabilität bietet, aber nun die Macht hat, die gesamte Schweizer Politik in die Tiefe zu reissen. Zuerst dürfte im Oktober der Wahlsieg der neuen Partei erfolgen, über fünfzig Prozent sind da durchaus möglich, wenn die SVP genug auf der Elite und den Bankern aus den eigenen Reihen herumhackt.
Die neue Grosspartei gerät aber wegen innerer Widersprüche und Streit in einen gefährlichen Strudel, und noch vor Weihnachten 2023 müsste sie erneut vom Bund gerettet werden (zum Beispiel, indem die Grünliberalen den strauchelnden SVP-Koloss übernehmen). Dieses Szenario ist aber derart riskant, dass nur noch der Verkauf der SVP ins Ausland bleibt.
Und so wird im Januar die Partei Einiges Russland von Präsident Wladimir Putin mit zuerst 51 Prozent und später 100 Prozent bei der SVP einsteigen und damit die Kontrolle über die Schweiz gewinnen. Der Bundesrat zeigt sich über den geglückten Verkauf zufrieden; endlich kann er das dumme Regieren mal abgeben und sich zur Ruhe setzen.
Interessenbindungen des Autors: Ruedi Widmer hält einen Anteil von 100 Prozent an Ruedi Widmer Cartoons in Winterthur.