Kommentar von Kaspar Surber: Rechts abgebogen
Die Departementsverteilung im Bundesrat ist eine Machtdemonstration der FDP. Für die Parlamentswahlen 2023 dürfte das der Partei mehr schaden als nützen.
Die erste Bundesratssitzung nach den Wahlen fiel unüblich kurz aus. Von wegen Anciennitätsprinzip und Konkordanzdemokratie: Die Departementsverteilung wurde zur Machtdemonstration der FDP. Und als gehörte ihnen der Bundesstaat seit 1848, traten auch nur Karin Keller-Sutter und Ignazio Cassis vor die Medien, um das Resultat zu verkünden. Keller-Sutter kann das Finanzdepartement übernehmen, auf das sie abzielte, Cassis darf Aussenminister bleiben, trotz desaströser Bilanz. Die SVP als alter neuer Juniorpartner bekommt das wertvolle Umwelt- und Infrastrukturdepartement Uvek.
Wer keine Rolle spielen will, hat am Ende den Militärhelm auf.
Die Machtdemonstration trägt die Handschrift von Keller-Sutter. Bei einem Pakt mit der SVP kam sie am einfachsten zu ihrem Wunschdepartement. Das Vorgehen macht zudem deutlich, wie weit rechts sich der Freisinn wieder positioniert hat. Von der internen Energiewende unter Petra Gössi ist nichts mehr zu spüren, seit Thierry Burkart die Parteispitze übernommen hat. Als Präsident des Schweizerischen Nutzfahrzeugverbands wird er sich freuen, dass Albert Rösti das Uvek übernimmt: Dieser war bisher Präsident der Autoimporteure. «Freie Fahrt für freie Bürger» – der Slogan der einstigen Autopartei kehrt mitten in der Klimakrise zurück.
Keller-Sutter und Burkart gelten als enges Gespann. Sie förderte ihn einst als Ständerat, nun soll er selbst ihre Wünsche bei der Bundesratswahl durchgesetzt und für Elisabeth Baume-Schneider als neue SP-Bundesrätin geworben haben, wie der «Blick» bestätigte. Deswegen Baume-Schneiders Wahl auch noch als Coup dem Freisinn zuzuschreiben, wie das einige Medien tun, wäre aber der Ehrfurcht doch zu viel: Die Wahl der linksten Bundesrätin seit Ruth Dreifuss bleibt der Erfolg des linken Flügels der SP und der Grünen.
Unverkennbar ist, wie sich Burkart an der SP abarbeitet. Am «Tag der FDP» im Oktober erklärte er als Hauptziel der Parlamentswahlen im kommenden Jahr, die SP als zweitstärkste Partei zu überholen. Mit der Rechtswende und dem Linkenbashing, das zeigen die Umfragen, gewinnt der Freisinn derzeit allerdings bloss auf Kosten der SVP. Die Flanke in die Mitte lässt die Partei offen. Davon dürften bei den Wahlen die Grünliberalen profitieren, weniger die Mitte-Partei. Diese befindet sich in einem Formtief sondergleichen.
Im Bundeshaus, so der Eindruck, gibt es mittlerweile sogar zwei Mitte-Parteien: eine im National- und eine im Ständerat. Bei fast allen Themen, ob beim Kaufkraftpaket oder bei der Umsetzung der OECD-Mindeststeuer, widersprechen sich die Ratsmitglieder regelmässig. Präsident Gerhard Pfister versucht derweil auf Twitter und in Interviews, die Fliehkräfte zu bändigen. Dass seine Partei strategisch nicht auf der Höhe ist, zeigte sich bei der Departementsverteilung. Viola Amherd hätte Albert Rösti als Uvek-Vorsteher verhindern können. Doch wer im Bundesrat keine Rolle spielen will, hat am Ende halt den Militärhelm auf.
Statt der Mitte-Partei gilt dennoch die SP als Verliererin der Departementsverteilung. Warum eigentlich? Das Departement des Innern mit den Sozialversicherungen bleibt zentral, erst recht, wenn Keller-Sutter sparen wird. Im Aussendepartement hätte sich Alain Berset wie manche frühere SP-Aussenminister entbehrlich gemacht. Elisabeth Baume-Schneider kann im Justizdepartement – so etwas wie das Gesellschaftsdepartement – einiges bewegen, ob bei der Gleichstellung oder in der Asylpolitik. Linke und progressive Wähler:innen fürchten sich ja nicht vor einer «Flüchtlingswelle», die rechte Politiker:innen bereits für das Wahljahr herbeireden – sie erwarten angesichts der Weltlage vielmehr einen humaneren Umgang mit Geflüchteten.
So gesehen hat die freisinnige Machtdemonstration etwas Klärendes: FDP und SVP paktieren rechts aussen, werden die Bewältigung der Klimakrise blockieren, den Service public angreifen und sparen. Der Absicht von SP und Grünen, sich als Bündnis für eine soziale und ökologische Schweiz zu positionieren, kommt das entgegen. Die Mitte bleibt unberechenbar wie immer. Es streiten sich also drei Blöcke um sieben Bundesratssitze. Der Wahlkampf 2023 ist eröffnet.