Automobilsteuer: Nur bedingt nachhaltig
Dass künftig auch auf Elektroautos eine Automobilsteuer bezahlt werden muss, ist keine schlechte Nachricht. Problematisch ist hingegen, was der Bund mit den Einnahmen anstellen will.
In der Schweiz naht das Ende der Vorzugsbehandlung für E-Autos: Der Bundesrat will deren Befreiung von der Automobilsteuer per 1. Januar 2024 aufheben. Noch bis Mitte Juli läuft die Vernehmlassung, aber es ist nicht zu erwarten, dass sich am Entscheid noch etwas ändert. Die Steuerbefreiung gilt seit Einführung der Automobilsteuer im Jahr 1997. Sie sollte der Elektromobilität zum marktwirtschaftlichen Durchbruch verhelfen. Nun kommt das Ende früher als erwartet – weil das Förderinstrument nicht mehr notwendig sei, so die Begründung des Bundesrats.
Tatsächlich verzeichnete die E-Auto-Branche in der Schweiz in den letzten Jahren imposante Wachstumszahlen. Fast 46 000 Elektroautos wurden 2022 importiert, das ist fast eine Versechsfachung gegenüber 2018. Der Marktanteil betrug damit 17,8 Prozent.
Schlecht investiertes Geld
Das klingt nach Umschwung und Aufbruch, verblasst aber im Gesamtbild. Denn noch immer sind laut Bundesamt für Statistik bloss rund 2,3 Prozent der in der Schweiz zugelassenen Personenwagen vollelektrisch betrieben. Das sind knapp 111 000 Autos – gegenüber fast 3 Millionen Benzin- und 1,3 Millionen Dieselfahrzeugen. Zahlen, die vor allem eines zeigen: Es gibt sehr viele Autos in der Schweiz.
Mit der Abkehr von der Vorzugsbehandlung für E-Autos will der Bundesrat vor allem eines: Geld einnehmen. Er hat die Massnahme nicht umsonst bereits im Januar angekündigt, als er sein Bereinigungskonzept für den Staatshaushalt vorstellte. Darüber hinaus arbeitet der Bund derzeit an Konzepten, um Elektrofahrzeuge ab 2030 auch anderweitig zu besteuern, denn E-Auto-Fahrer:innen zahlen keine Mineralölsteuern. Auch Subventionsmechanismen, wie etwa Umstiegsprämien, stehen in manchen Kantonen unter Druck. Wenig überraschend bedauern diese Entwicklung vor allem jene politischen Akteur:innen, die in der Klimapolitik voll auf die Elektrifizierung des Strassenverkehrs setzen: «Das bereitet mir Sorgen», sagte etwa Jürg Grossen, Präsident der Grünliberalen und Leiter des Branchenverbands Swiss E-Mobility, gegenüber SRF. «Wir sind bei den Klimazielen von Paris gerade im Verkehrssektor stark im Hintertreffen.»
Dabei ist hinlänglich bekannt, dass die Elektrifizierung des Individualverkehrs kein nachhaltiger Lösungsansatz ist. Bei der Herstellung und entlang der Lieferkette von E-Autos fallen grosse Mengen grauer Emissionen an, viele benötigte Rohstoffe werden unter miserablen Bedingungen für Menschen und Umwelt abgebaut. «Es ist eine Lüge, dass Elektroautos den Klimawandel stoppen können», sagt Silas Hobi, Geschäftsleiter des verkehrspolitischen Vereins Umverkehr. «Auch Elektroautos fahren für 75 Kilogramm Mensch zwei Tonnen Stahl umher. Dieser physikalische Unsinn lässt sich schlicht nicht auflösen.»
Entsprechend begrüsst es Hobi, dass künftig auch E-Autos besteuert werden – wobei der Bund die Einnahmen aber komplett falsch investiere. Das Geld fliesst nämlich in den Nationalstrassen- und Agglomerationsfonds (NAF), mit dem Unterhalt und Ausbau des Nationalstrassennetzes finanziert werden. Das ist auch der Grund, weshalb der Bund nach Besteuerungsideen sucht: Nimmt der Anteil der Elektroautos in der Schweiz weiterhin rasant zu, fallen dereinst beträchtliche Einnahmen aus der Mineralölsteuer (1,8 Milliarden Franken pro Jahr) weg. Für die bürgerliche Schweiz, wo jedes Jahr Milliardenbeträge in Asphalt gegossen werden, wäre das schlicht undenkbar.
Gleichzeitig verursacht der motorisierte Individualverkehr jährlich fast zehn Milliarden Franken an externen Kosten – etwa durch Luftverschmutzung, Lärm, Klima- und Umweltschäden, oder aufgrund von Unfällen. So hat es das Bundesamt für Raumentwicklung errechnet. «Ginge es nach dem Verursacherprinzip, würden mit den Einnahmen aus der Autobesteuerung diese Schäden minimiert», sagt Silas Hobi. Stattdessen werde damit das Strassennetz weiter ausgebaut – und Platz geschaffen für immer mehr und immer grössere Autos: «Es ist ein Teufelskreis.»
Mehr Autobahnen mit Step
Derselben Ansicht ist auch Natalie Imboden, Berner Nationalrätin der Grünen und Vorstandsmitglied des gemeinnützigen Verkehrsclubs VCS. «Wir begrüssen die Automobilsteuer für Elektrofahrzeuge, denn es ist sinnvoll, Subventionen für Autos abzuschaffen», sagt sie. «Aber dieses System hat einen Konstruktionsfehler.» Imboden verweist auf eine Studie des Preisüberwachers vom Oktober, die belegt, dass die Nutzung des öffentlichen Verkehrs in der Schweiz im letzten Jahrzehnt wesentlich teurer wurde, der motorisierte Individualverkehr hingegen günstiger.
«Auch deshalb wehren wir uns gegen den weiteren Strassenausbau», sagt Imboden. Etwa gegen das Strategische Entwicklungsprogramm (Step), das die Verkehrskommission des Nationalrats gerade behandelt. Es sieht Investitionen über 11,6 Milliarden Franken unter anderem in Kapazitätserweiterungen von Autobahnen vor. «Ich gehe davon aus, dass es am Ende zum Referendum kommt», sagt Imboden. «Wir brauchen eine grundlegende Umgestaltung des Verkehrs und keine achtspurigen Autobahnen, wie etwa im Norden von Bern geplant wird.»