Nachruf: Elisabeth Kopp, Opfer und Täterin

Nr. 16 –

Der Sturz der ersten Bundesrätin war dem Finanzplatz geschuldet.

Zuweilen gehen Menschen in ihrer symbolischen Funktion auf. Als Elisabeth Kopp im Oktober 1984 zur ersten Bundesrätin der Schweiz gewählt wurde, verkörperte sie einen kleinen gesellschaftlichen Fortschritt; ihr Sturz gut vier Jahre später, im Januar 1989, war ein Symptom zäh verankerter Strukturen und Seilschaften.

Nach ihrem Tod wird nun erneut um sie als öffentliche Figur gerungen. Die aktuell versuchte Rehabilitierung ist allerdings revisionistische Geschichtsschreibung.

Die Familie der 1936 in Zürich geborenen Elisabeth Iklé, spätere Kopp, war in Wirtschaft und Politik gut vernetzt. Der Aufstieg via Gemeindeexekutive in Zumikon und Zürcher Erziehungsrat in den Nationalrat (ab 1979) entsprach sozialer Logik. Zugleich weckte er Ressentiments gegenüber der erfolgreichen Frau. Intersektionell gesehen: Die gutbürgerliche soziale Herkunft öffnete ihr viele Türen; umgekehrt sah sie sich als Frau unter schärferer Beobachtung als ein Mann. Dabei wurde ihr Fall durch ihren Mann Hans W. Kopp initiiert. Der Wirtschaftsanwalt sass im Verwaltungsrat einer Firma, die Ende 1988 wegen Geldwäscherei unter Verdacht geriet. Bundesrätin Kopp warnte ihren Gatten in einem Telefonanruf vor einer möglichen Untersuchung. Zum Verhängnis wurde ihr, dass sie diesen Anruf zwei Wochen lang verschwieg, ja bestritt. Die Berichterstattung der Medien dazu wurde und wird von Kopp-Verteidiger:innen als Rufmordkampagne hingestellt. Viel eher war sie Ausdruck einer Personalisierung der Politik. Zuvor war Kopp zur beliebtesten Politiker:in der Schweiz hochgeschrieben worden.

Die WOZ hat in der Affäre nicht immer ganz rühmlich mitgespielt. Ihr Autor Niklaus Meienberg veröffentlichte im Vorfeld der Bundesratswahl eine alte Geschichte über Hans W. Kopp und dessen «Flagellantenpraxis» gegenüber seinen Sekretärinnen. Schon damals wurde ihm von Leserinnen vorgehalten, er ziele via den Mann auf die Frau. Aus heutiger Sicht hat seine genüssliche Schreibe einen unangenehmen Beigeschmack.

Während Kopps Amtszeit bekämpfte die WOZ vor allem deren Flüchtlingspolitik. Kopps zweite Asylgesetzrevision 1986 bedeutete eine Aushöhlung des Asylrechts und führte zu verschiedenen direkten Aktionen wie dem Kirchenasyl.

Ihre Zeit als Bundesrätin ist eingerahmt von zwei Skandalen. Dass sich die FDP rühmen konnte, die erste Bundesrätin zu stellen, war das Resultat der Schachzüge, mit denen die Wahl von SP-Nationalrätin Lilian Uchtenhagen ein Jahr zuvor von der bürgerlichen Ratsmehrheit verhindert worden war. Und die Aufarbeitung von Kopps möglicher Amtsgeheimnisverletzung deckte die illegale Überwachung von 900 000 Menschen durch die Schweizer Geheimdienste im Fichenskandal auf.

Im Zentrum ihres Falls aber steht der Schweizer Finanzplatz. Die telefonische Warnung an ihren Mann war an sich unbedeutend. Aber die Aufdeckung des Anrufs offenbarte systemische Probleme. Die Finanzplatzvertreter mit ihrem Geschäftsmodell absoluter Diskretion auch in Bezug auf Steuerhinterziehung und Geldwäscherei konnten jedoch keine Anrüchigkeiten brauchen. So kam es zum Frauenopfer.

Die aktuellen Rehabilitationsversuche betonen ihren Einsatz für ein moderneres Familienrecht; auch sonst habe sie «Frauenanliegen» vorangetrieben. Catherine Duttweiler, die Kopp lange als Journalistin begleitet hat, widerlegt das im «infosperber» Punkt für Punkt: Elisabeth Kopp habe in solchen Fragen zumeist gebremst.

Die Affäre Kopp war im Vergleich zur Fichenaffäre unerheblich. Indirekt hat sie allerdings Wirkung gehabt. Der damals erst im Kanton Zürich erfolgreiche SVP-Politiker Christoph Blocher profilierte sich rhetorisch gegen den «FDP-Wirtschaftsfilz» und leitete so seine Übernahme der SVP und deren rechtspopulistischen Aufstieg ein. Dass er diese Profilierung 34 Jahre später zu aktualisieren versucht, zeigt ernüchternd, dass sich die Geschichte nicht immer nur als Farce wiederholt.