Wichtig zu wissen: Oliga 2023

Nr. 16 –

Ruedi Widmer über den Bauernstand und Finanzwirtschaftsmessen

Die Schweiz – ein Landwirtschaftsland.

Klar doch, die Bauernpartei ist die grösste, auf jede Schweizerin und jeden Schweizer kommen circa sechzig Kühe. Der Bauer pflegt die Landschaft, aber oft nicht die Natur. Seinen chemischen Fussabdruck essen wir täglich mit. Das Landwirtschaftsland wird verteidigt – gegen weitere Zuwanderung oder gegen Naturschutzprojekte. Die St. Galler Ständeratskandidatin, Bäuerin Esther Friedli, ist die Oltnerin der schweizerischen Befindlichkeit, die Hannoveranerin der Swissness, sie vereinigt alles, was sich der durchschnittliche Mittelländer unter der Schweiz vorstellt – Kuh, Gärtli, Bankkonto und Ressentiment.

Weil es glücklicherweise doch noch einige schläuerinne Bäuerinnen und schlaue Bauern gibt im Land, die die Zeichen der Zeit erkannt und die gemerkt haben, dass die Landwirtschaft mit der Natur im Einklang sein muss, ist die genannte Bauernpartei mittlerweile eher zur Vertreterin derjenigen mutiert, die mit Geld grossen Mist gebauert haben. Ihr Finanzminister hat nämlich, chuttelibewehrt, in den letzten Jahren die Credit-Suisse-Bankenbosse wie die Hühner frei laufen lassen («Lasst sie in Ruhe»), statt sie an die Kandare zu nehmen, so wie es wild gewordene Stiere eigentlich nötig hätten.

Von der Landwirtschaft zur Finanzindustrie ist es also nicht weit. Und die der Scholle seit jeher nicht abholde Finanzdebakelpartei FDP braucht dringend etwas «Dräck» und Unterstützung von rechts, damit das bürgerliche Schloss nicht vollends in sich zusammenfällt. Es reicht nicht mehr, dass am Sechseläuten, wie böse Zungen der Zürcher Bonzenfasnacht sagen, zwischendurch mal ein paar Pferdeäpfel auf die Strasse fallen – nein, nun muss der staubig beschuhte Bauernstand mit dem Geldadel vollends zusammenwachsen, hin zum finanzistischen Banker- und Bauernstaat.

So findet dieses Jahr in St. Gallen erstmals auf dem Messegelände der Universität St. Gallen (HSG) die Oliga statt, die Ostschweizer Messe für Oligarchie, Finanzwirtschaft, Neutralität und russische Geldvermehrung. Die Ausstellung richtet sich an russische Geschäftsleute, die etwas mehr von ihren schweizerischen Gegenübern erfahren wollen. Gastkanton ist immer Russland.

Hauptattraktion ist die grosse Anwaltsschau im Stall der Halle 8, die die besten und potentesten Schweizer Anwälte vorstellt. An der Preisverleihung am Sonntag erhält der siegreiche Superanwalt, der den übelsten Oligarchen am besten rauszuhauen vermag, einen Kranz. Die Glocke während der Siegerehrung schwingt Altfinanzminister Ueli Maurer.

Beliebt ist der Streichelzoo, in dem von der EU ungerecht behandelten armen russischen Oligarchen mit der Hand tröstend übers Haupthaar gefahren werden darf. Man kann sie sogar adoptieren und ihnen Schweizer Pässe vermitteln, damit sie von der Sanktionitis befreit werden.

An der grossen Finanzwirtschaftsmaschinenausstellung sind Ferrari, Maserati, Lamborghini, Maybach, Rolls Royce und Bentley mit Ständen und Fahrzeugausstellungen vertreten. Elon Musk zeigt einen wiederverwendbaren Oligarchen, der auch nach einem westlichen Boykott und mit eingefrorenem Vermögen steinreich bleibt und einen Atomkrieg überlebt. China ist mit einem aufblasbaren Geldspeicher präsent. Die Fleischindustrie präsentiert die St. Galler Oliga-Bratwurst, die dicker und länger ist als alle bisherigen Würste.

Student:innen der HSG zeigen, wie weit sie mit dem Experiment sind, mithilfe von DNA-Fragmenten aus dem Gestein des Alfred-Escher-Denkmals in Zürich wieder eine junge Credit Suisse zu erschaffen. Deren DNA wollen sie in eine Eizelle der UBS einpflanzen. Auf diesem Weg könnten in Zukunft viele ausgestorbene Schweizer Banken wieder auferstehen.

Eröffnet wird die Oliga durch die St. Galler Bundesthatcherin Karin Keller-Sutter.

Ruedi Widmer ist Cartoonist in Winterthur.