Hanna Johansen (1939–2023): Im Leben gehört immer alles dazu

Nr. 18 –

Frauenstimmen als eigenständige Erzählerinnen ihrer Geschichten hat Hanna Johansen in all ihren Romanen und Erzählungen zu Wort kommen lassen.

Johansen hat spät zu schreiben begonnen. Ihr erster Roman erschien, als sie beinahe vierzig Jahre alt war. Das Pseudonym wählte sie noch während ihrer damaligen Ehe mit Adolf Muschg. Das Schreiben habe sie sich erkämpft, erzählte sie, als wörtliche Umsetzung von Virginia Woolfs Forderung nach einem eigenen Raum für Frauen: der Donnerstag als Schreibtag ausser Haus.

In den ersten Romanen geraten Frauenfiguren in traumartige, absurde Situationen; Johansen hat das als beinahe automatisches Schreiben in einer eigenen Entwicklungslogik dargestellt. Danach wurden die Bücher stärker auf reale Figuren und Situationen bezogen, auch disziplinierter, ohne an Eindringlichkeit zu verlieren.

Es gibt Motive, die sich durchs Werk hindurchziehen, etwa das Aufwachsen im Krieg. In den beiden zentralen Romanen «Universalgeschichte der Monogamie» (1997) und «Lena» (2002) werden sogar die gleichen Figuren in verschiedenen Entwicklungsphasen gezeigt. Erinnern ist Johansen immer wichtiger geworden, im Buch «Der Herbst, in dem ich Klavier spielen lernte» (2014) hat sie das am deutlichsten an der eigenen Person vorgeführt.

Ihre Frauen treffen notwendig mit Männern zusammen. Diese sind zuweilen Ärgernis, zumeist Zumutung. Die Frauen halten die Anforderungen des Lebens besser aus, zurückhaltend oder selbstbewusst, ironisch oder der Not gehorchend. Die Ich-Erzählung lässt allerdings einen Spalt zur ungetreuen Berichterstattung offen, da sie doch aus einer bestimmten Perspektive erfolgt. Diese mögliche, ja unvermeidliche Unzuverlässigkeit hat Johansen in den meisten Büchern thematisiert. Dagegen setzt sie die Präzision der Worte, zumeist knappe Sätze, genau und doch flirrend vor Spannung, auch Schönheit.

Streng von ihren Romanen getrennt hat Hanna Johansen ihre erfolgreichen Kinderbücher, da die Logik von Kindern eine andere sei. Mit ihren anspruchsvollen, gleichzeitig humorvollen Geschichten hat sie geholfen, die deutschsprachige Kinderliteratur vom Staub etlicher Jahrzehnte zu befreien. «Albträume für Anfänger» wollte sie eines davon nennen. Auch die Erwachsenen in ihren Büchern müssen sich Albträumen stellen und Strategien entwickeln, um weiterzuleben: «Im Leben gehört immer alles dazu», weiss Lena aus dem gleichnamigen Roman.