Kost und Logis: Der Weltuntergangs­verband

Nr. 19 –

Ruth Wysseier ärgert sich über Gastrosuisse

Gopferdeli, Gastrosuisse, gehts noch? Ein Nein zum Klimaschutzgesetz? Das letzte Mal, dass ich mich bei einer Abstimmung so heftig ärgern musste über das Milieu, aus dem ich stamme, war 2014 beim unsäglichen Gastrosuisse-Slogan «Bratwurstdiskriminierung stoppen!». Erinnert sich noch jemand? Das Gastgewerbe kämpfte damals für eine tiefere Mehrwertsteuer für Restaurants, so wie er für Take-aways gilt. Das Anliegen wurde haushoch verworfen.

Und nun bekämpft der Wirteverband also das Klimaschutzgesetz – stellt sich mit der SVP und dem Hauseigentümerverband in die Ecke. Das passt zur Kamikazeöffentlichkeitsarbeit seines Präsidenten Casimir Platzer, Hotelier aus Kandersteg. In den Medien tritt er meist polternd und jammernd auf und beschwört den Untergang der Gastronomie. Während Corona ging er auf derart scharfen Konfrontationskurs zum Bundesrat, dass er von Verbandsmitgliedern öffentlich kritisiert wurde. In der Person der neu gewählten Ständerätin Esther Friedli, Wirtin des Landgasthofs Sonne respektive Haus der Freiheit, sitzt auch das SVP-Parteiprogramm im neunköpfigen Vorstand.

Gastrosuisse vertrete die Interessen des Gastgewerbes und fördere das Image der Branche, steht in den Statuten. Um sein Image als Neinsagertrupp zu fördern, fasste Gastrosuisse auch zum Covidgesetz die Nein-Parole, im Schlepptau des Vereins «Freunde der Verfassung» und von «Mass-voll».

Hotelleriesuisse dagegen hat mit anderen Verbänden aus der Tourismusbranche ein Ja-Komitee gegründet: Der Tourismus lebe von einer intakten Natur, nachhaltige Angebote seien bei der Kundschaft gefragt. Auch der Bauernverband sagt Ja zum Klimaschutzgesetz. Ausschlaggebend sei gewesen, dass die Landwirtschaft besonders stark vom Klimawandel betroffen sei. Das leuchtet ein – und war trotzdem nicht unbedingt zu erwarten. Denn in der Landwirtschaftskammer, dem Parlament des Bauernverbands, sitzen neben dem Präsidenten Markus Ritter (Die Mitte) fünf weitere Nationalräte, alle aus der SVP-Fraktion.

Ich kann mir gut vorstellen, dass all die sympathischen Wirt:innen, die ich kenne, zum Klimaschutzgesetz Ja sagen werden. Sie haben bloss zu viel zu tun, um sich um die Verbandspolitik zu kümmern. Darum für sie noch drei gute Nachrichten. Die erste: 2022 wurden erstmals weniger Gastronomiebetriebe gegründet, als Konkurs gingen. Das bedeutet etwas weniger Verdrängungskampf und Überkapazität, an der die Branche stark leidet. Die zweite: Seit neustem gibt es ein Biolabel für Restaurantküchen, ausserdem mit Swisstainable ein Nachhaltigkeitslabel. Die dritte: Ab Mitte Jahr wird ein Medienprofi neuer Direktor von Gastrosuisse. Pascal Scherrer, früher bei SRF 3 und beim Regionalfernsehen, erklärte zu seiner Wahl, ihn reize die Branche mit ihrer grossen Strahlkraft. Da sehe ich doch einen Silberstreifen am Horizont und bin gespannt auf den künftigen Auftritt des Untergangsverbands.

Ruth Wysseier ist Winzerin am Bielersee. Sie weiss, dass die Branche nicht so verbohrt ist, da viele ihrer Bekannten und Verwandten in der Gastronomie arbeiten.