«Die Jakarta-Methode»: Dem Fisch das Wasser entziehen
Der Journalist Vincent Bevins hat die Zerschlagung der indonesischen Linken als Vorlage der Aufstandsbekämpfung durch die USA untersucht. Sein Buch ist gut recherchiert, argumentiert aber unnötig leichtfertig.
Kaum ein Thema entzweit Linke heute so schnell wie die Bewertung der Geopolitik. Während viele ältere meinen, die USA seien auch nach dem Ende des Kalten Krieges Hauptgegner jeder progressiven Politik, zeichnen jüngere angesichts des russischen und chinesischen Autoritarismus ein deutlich positiveres Bild der Vereinigten Staaten. Vincent Bevins’ Buch «Die Jakarta-Methode» über terroristische Formen der Oppositionsbekämpfung liest man unweigerlich vor diesem Hintergrund.
Der «politische Genozid» an der indonesischen Linken, dem 1965/66 mindestens eine halbe Million Menschen zum Opfer fielen, gilt als eine der brutalsten Repressionskampagnen der jüngeren Geschichte und geht auf das Konto US-naher Militärs. Ziel dieses Massenmords war es, den südostasiatischen Inselstaat auf eine «prowestliche» Linie zu bringen. Unter Präsident Sukarno hatte sich Indonesien zuvor nämlich als Führungsstaat der Blockfreien-Bewegung profiliert, über die sich afrikanische und asiatische Staaten aus der neokolonialen Umklammerung zu befreien versuchten. Die Kommunistische Partei Indonesiens war zwar schon unter Sukarno punktuell politischer Verfolgung ausgesetzt, spielte innenpolitisch aber eine bedeutende Rolle. Mit zwei bis drei Millionen Mitgliedern handelte es sich um die grösste kommunistische Partei ausserhalb der Sowjetunion und Chinas.
Mit der massenhaften Ermordung von KP-Mitgliedern und ethnischen Chines:innen wollten rechte Militärs die Linke zerschlagen und der Blockfreien-Politik Sukarnos ein Ende bereiten. Wer Joshua Oppenheimers grossartigen Dokfilm «The Act of Killing» (2012) gesehen hat, weiss, wie nachhaltig der Terror die indonesische Gesellschaft geprägt hat.
Ein Parforceritt
Der 1984 geborene und mit Oppenheimer befreundete US-Journalist Vincent Bevins geht in «Die Jakarta-Methode» nun der Frage nach, inwiefern der Massenmord in Indonesien von den USA mitorganisiert wurde und als Blaupause der Aufstandsbekämpfung diente. In diesem Zusammenhang muss man erwähnen, dass Bevins kein neurechter (oder altlinker) Verschwörungsexperte ist, sondern als Auslandskorrespondent unter anderem für die «Los Angeles Times» und die «Washington Post» lange Jahre aus Brasilien und Indonesien berichtet hat.
Trotzdem ist an seinem Buch zunächst einmal irritierend, wie einfach er Recherchen aus Indonesien, Südamerika und den USA miteinander verschränkt. Bevins vollführt einen wahren Parforceritt durch die Geschichte des postkolonialen Süden und die US-Aussenpolitik. Seine These lautet dabei, dass es während des Kalten Krieges in «mindestens 23 Ländern US-gestützte antikommunistische Vernichtungsprogramme» gegeben habe, die zwar keinem Masterplan gefolgt seien, aber doch «als miteinander verbunden und als ein entscheidender Teil des Sieges der USA im Kalten Krieg» betrachtet werden müssten.
Die lockere Verwendung des Begriffs «Vernichtungsprogramm» ist zumindest in der deutschen Übersetzung problematisch, und auch der Untertitel des Buchs – «Wie ein mörderisches Programm Washingtons unsere Welt bis heute prägt» – kommt einigermassen reisserisch daher. Doch Bevins’ Darstellung selbst ist gut belegt und gerade in der jetzigen Debatte lesenswert: Der US-Journalist zeichnet nach, dass die USA eine Sicherheitsdoktrin verfolgten, die die Zivilbevölkerung als potenziellen Feind betrachtet. In diesem Sinne galt es bei der Bekämpfung von sozialen Aufständen, «dem Fisch das Wasser» zu entziehen – notfalls auch durch die massenhafte Ermordung von Zivilist:innen.
Jakarta in Südamerika
Dass die Terrorwelle in Indonesien als eine Art Vorlage für südamerikanische Militärdiktaturen diente, ist in diesem Zusammenhang ziemlich plausibel. Bevins verweist darauf, dass das Wort «Jakarta» in den siebziger Jahren von lateinamerikanischen Rechten auf Strassenwände geschrieben worden sei. Mit Sicherheit lässt sich festhalten, dass die USA und ihre Verbündeten Terror als legitimes Mittel zur Eindämmung sozialrevolutionärer Bewegungen betrachteten. Doch dadurch, dass Bevins im Verlauf des Textes immer schneller zwischen den Länderbeispielen springt, wird die Argumentation leichtfertiger, als sie es sein müsste.
Trotzdem ist «Die Jakarta-Methode» für diejenigen, die sich ansonsten eher unkritisch auf «westliche Werte» beziehen, ein gut informiertes und leicht zu lesendes Überblicksbuch. Es hilft zu verstehen, warum man der Friedens- und Menschenrechtsrhetorik der USA und ihrer Verbündeten aus Prinzip misstrauen sollte: Wenn das Eigentum gefährdet ist, sind liberale Demokratien zum Äussersten bereit – auch zum politischen Massenmord wie einst in Indonesien. Denjenigen hingegen, die in den USA schon immer den Hauptgegner jeder progressiven Politik gesehen haben, sollte man «Die Jakarta-Methode» nicht unbedingt zur Lektüre empfehlen. Zu naheliegend ist der Kurzschluss, dass es sich bei dem im Buch beschriebenen Phänomen um ein Problem der USA – und nicht etwa um eines kapitalistischer Staatenkonkurrenz – handelt.
Vincent Bevins: «Die Jakarta-Methode. Wie ein mörderisches Programm Washingtons unsere Welt bis heute prägt». PapyRossa Verlag. Köln 2023. 427 Seiten. 42 Franken.