Schweizer «Debatten»: Konsequent an den Fakten vorbei
Die aktuell wirtschaftlich turbulente Zeit befeuert in der Schweiz entsprechend hitzige Debatten – über Löhne, Teilzeitarbeit oder den nötigen wirtschaftlichen Umbau, um die rasante Klimaerhitzung aufzuhalten. Mühsam daran ist: Statt in eine rationale und an Fakten orientierte Debatte einzusteigen, spulen so manche Bürgerliche lieber alte ideologische Allgemeinplätze ab.
In der letzten «SonntagsZeitung» etwa schrieb der rechte Haudegen Markus Somm, dass Linke nicht begreifen wollten, dass Mindestlöhne mehr Arbeitslosigkeit brächten. Belege? Hatte er keine – was kein Zufall ist: Bis heute konnte die empirische Wissenschaft nicht abschliessend klären, ob Mindestlöhne Arbeitsplätze kosten oder vielmehr zu mehr Beschäftigung führen.
Als tags darauf die Bundesverwaltung neue Zahlen zu Teilzeitarbeit publizierte, flammte sofort wieder die Debatte über die angeblich faulen Schweizer:innen auf, die immer weniger arbeiten würden. Dabei wurde inzwischen zig Mal aufgezeigt: Frauen haben in den letzten Jahrzehnten einen Teil der Erwerbsarbeit der Männer übernommen, weshalb es mehr Teilzeitpensen gibt. Wird die Schweiz damit «fauler»? Natürlich nicht. Und trotzdem liegen rechte Kreise einem damit seit Monaten in den Ohren.
Am gleichen Tag verlieh dann auch noch ein von SVP-Nationalrat Gregor Rutz präsidierter Verein dem Grünen-Präsidenten Balthasar Glättli einen Preis für den «dümmsten» Vorstoss, weil dieser einen Bericht verlangte, der die Folgen einer möglichen Arbeitszeitreduktion auf den CO₂-Ausstoss abschätzt. Nun ist die Arbeitsmenge tatsächlich ein Haupttreiber des Wachstums, das sich global noch immer nicht vom CO₂-Ausstoss entkoppelt hat. International ist deshalb längst eine Debatte im Gang, ob die Arbeitszeit verkürzt werden soll – was dank des maschinellen Fortschritts ohnehin seit dem 19. Jahrhundert global der Fall ist.
Gegenargumente? Hatten Rutz und sein Verein offenbar keine. Umso lauter werfen sie anderen Dummheit vor.