Film: Absender im Dunkeln
«La syndicaliste» ist die Geschichte einer Gewerkschafterin, der übel mitgespielt wird – und zwar so richtig: Maureen Kearney (Isabelle Huppert) wird gefesselt, geknebelt, gefoltert, vergewaltigt und dann auch noch psychisch erniedrigt und gedemütigt, von (zumeist) Männern in Machtpositionen.
Ja, die Sympathien sind klar verteilt in diesem Verschwörungsthriller, der sich an den Paranoiafilmen der 1970er Jahre messen will. Inhaltlich kommt das durchaus hin: Kearney, die sich für die rund 10 000 Arbeiter:innen im Atomkonzern Areva einsetzt, bekommt Dokumente zugespielt, die darauf hindeuten, dass der staatliche Stromkonzern EDF Areva zerschlagen und an China verkaufen will. Als sie den Hinweisen nachgeht, scheucht sie Konzernbosse und Minister im Élysée auf und gerät in einen Strudel von Bedrohungen, deren Absender im Dunkeln bleiben.
Dem Film von Jean-Paul Salomé mangelt es an atmosphärischer Ambivalenz, da kann Huppert als toughe Gewerkschafterin im äusserlich fragilen Gewand noch so überzeugend agieren. Selbst ihr Mann (grossartig: Grégory Gadebois), der sie um einen Kopf überragt und wohl das Dreifache ihres Gewichts auf die Waage bringt, wirkt neben ihr wie ein Mauerblümchen. Schon fast übermenschlich, wie sie es aushält, vom Polizeigynäkologen mehrfach und auch mit der Tatwaffe penetriert, vom Kommissar zur Verdächtigen gemacht und vor Gericht als Lügnerin verurteilt zu werden, ohne daran zu zerbrechen. «Ich muss das alles erfunden haben», sagt sie nur, als betrachte sie sich von aussen. Und akzeptiert den Vorwurf, sie habe den Überfall selbst inszeniert, schliesslich war sie bereits als Zwanzigjährige vergewaltigt worden, der Täter damals erhielt mildernde Umstände.
Vielleicht darf es keine Ambivalenz geben in der Zeichnung dieser Frau. Ihre Geschichte ist wahr. Maureen Kearney legte Berufung ein und wurde 2018 freigesprochen. Da waren die Areva-Arbeiter:innen längst alle entlassen und China am französischen Strommarkt beteiligt. Zum Überfall gab es keine weiteren Ermittlungen.