Wasserprivatisierung: Sonne, Sand und Scheisse am Strand

Nr. 34 –

Die englischen Wasserfirmen leiten regelmässig ungeklärtes Abwasser in Flüsse und Küstengewässer. Der Widerstand in der Bevölkerung wächst – und mit ihm die Unterstützung für ein Ende der Privatisierung. Ein Besuch an der südwestlichen Spitze von England. 

Südküste von Cornwall
Ein Sommertag an der Südküste von Cornwall: Aus dem dicken Rohr am Strand von Marazion fliesst Regenwasser mit einem unverkennbaren bräunlichen Einschlag.

Grandios, diese wilde Küste von Cornwall – zumindest vorläufig. In der Trevaunance Cove, einer von Granitklippen eingeschlossenen Bucht im äussersten Südwesten Englands, rauschen die Wellen sanft über die Felsen. Am Strand kommt der Badetag langsam in die Gänge. Schreiende Kinder, Sandburgen, Hunde zwischen gestrandeten Quallen. Ein Rentner:innenpaar hat sich hinter einen Windschutz zurückgezogen und kauert in Campingstühlen. Drei jüngere Frauen stehen knietief im Meer und blicken sich unentschlossen an: Doch etwas kalt hier. Zum Surfen sind die Wellen derzeit zu klein. «Aber wenn die Bedingungen stimmen, ist es hier richtig toll», sagt Tabitha McCormick, während sie durch die Bucht führt. Sie ist 25 Jahre alt, studierte Marinebiologin, in ihrer Freizeit Surferin und Kaltwasserschwimmerin. «Ich habe das Wasser schon immer geliebt», sagt sie. Cornwall ist eigentlich ein Paradies für McCormick. Wenn da nur nicht dieses Problem wäre.

Oberhalb des Strandes ragt ein Abwasserrohr bedrohlich aus einer Mauer. Wasser plätschert heraus, in einem kleinen Bächlein fliesst es über den Strand ins Meer. Aber zuweilen kommt etwas ganz anderes aus dem Rohr. Im vergangenen Herbst zirkulierte in den sozialen Medien ein kurzes Video, gefilmt von weiter oben am steilen Hang: Es zeigt, wie an einem regnerischen Tag eine dunkle Brühe in den grünlichblauen Atlantik gepumpt wird und die gesamte Bucht braun färbt. Vor einigen Wochen sei das erneut vorgekommen, sagen zwei hier tätige Strandwächterinnen. Der regionale Wasserbetrieb hatte wieder einmal ungeklärtes Abwasser ins Meer geleitet. Stundenlang, tonnenweise.

Meeresbiologin Tabitha McCormick
«Sick of sewage» (Genug vom Abwasser): Die Meeresbiologin Tabitha McCormick, hier am Strand von Trevaunance, hat den Slogan auf ihr Surfbrett geklebt.

800 Fälle von Verschmutzung – pro Tag

«Es ist ein Problem, das man hier nur zu gut kennt», sagt Tabitha McCormick. Sie arbeitet für die Kampagne Surfers Against Sewage (SAS), die sich seit drei Jahrzehnten für saubere Küstengewässer engagiert. Bevor sie bei den «Surfer:innen gegen Abwasser» zu arbeiten begann, hatte McCormick kaum Ahnung vom Ausmass des Problems. «Ich war sehr naiv», sagt sie. «Ich dachte, wir leben in einem entwickelten Land, und ich konnte mir nicht vorstellen, dass es eine solche Verschmutzung durch Abwasser gibt.» Aber mittlerweile weiss es das ganze Land: Die Unternehmen, die eigentlich für sauberes Wasser zuständig sind, leiten regelmässig rohe Fäkalien in Flüsse und Küstengewässer.

Erst seit ungefähr zwei Jahren wird diese Verschmutzung als öffentlicher Skandal gehandelt. Parlamentskomitees haben sich damit beschäftigt, Bosse von Wasserbetrieben sind zur Rede gestellt worden und haben kleinlaut «Sorry» gesagt, es hat Bussen gegeben, und internationale Medien haben ungläubig vom «stinkenden Grossbritannien» berichtet.

Die öffentliche Empörung steht in direktem Verhältnis zum Ausmass der Verschmutzung. Nehmen wir das Jahr 2022. Insgesamt haben die zehn englischen Wasserbetriebe 301 000 Mal Abwasser in die Natur geleitet. Im Durchschnitt sind das 824 Ausflüsse pro Tag. Rechnet man die jeweilige Dauer aller Ausflüsse zusammen, ist in England innerhalb eines Jahres 1,75 Millionen Stunden lang unbehandeltes Abwasser in Flüsse und ins Meer geflossen.

Das kann nicht nur für Fische und andere Lebewesen tödlich sein, es ist auch gefährlich für Menschen. «Viele meiner Freunde sind sehr krank geworden wegen Abwasserverschmutzung», sagt McCormick. «Sie hatten Bindehautentzündungen, Ohren- und Halsinfektionen oder Magen-Darm-Erkrankungen.» In Cornwall, dem britischen Surfeldorado, gibt es viele Instruktor:innen und Rettungsschwimmer:innen, die von Berufs wegen viel Zeit im Wasser verbringen. Und wie es ein unglücklicher Zufall will, ist Cornwall auch die Region, die von Abwasserverschmutzung am stärksten betroffen ist.

SAS hat eine App entwickelt, die die Bedingungen an jedem Badestrand in Grossbritannien in Echtzeit anzeigt. «Bevor ich ins Wasser gehe, versichere ich mich immer vorher, ob der Strand nicht gerade verschmutzt ist», sagt McCormick. Im Moment zeigt die App an der ganzen Küste grüne Häkchen, auch hier an der Trevaunance Cove: keine Fäkalgefahr im Wasser.

Doch warum kommt es zu so routinemässiger Umweltverschmutzung? Wie ist es möglich, dass eines der reichsten Länder der Welt es nicht schafft, ein ordentlich funktionierendes Abwassersystem aufzubauen? Wie so oft, wenn es um marode Dienstleistungen in Grossbritannien geht, sind die wirtschaftspolitischen Umwälzungen unter Margaret Thatcher ein guter Startpunkt.

Komplizierte Strukturen

Das privatisierte englische Wassersystem besteht aus zehn Versorgungsbetrieben, sie sind sowohl für Trink- wie auch Abwasser verantwortlich. Jede Firma ist für ein bestimmtes Gebiet zuständig und hat dort das Monopol. Wer beispielsweise in Cornwall lebt, hat keine andere Wahl, als das Wasser von South West Water zu beziehen; alle Londoner:innen zahlen ihre Wasserrechnungen an Thames Water. Wales hat ebenfalls einen privaten Wasserbetrieb, aber er ist nicht profitorientiert; in Schottland und Nordirland hingegen sind die Wassersysteme in staatlicher Hand.

Die Eigentümer:innenstruktur der englischen Wasserfirmen ist teuflisch kompliziert. Der «Guardian» grub sich letztes Jahr in die Details ein und kam zum Schluss, dass die wichtigsten Akteure «ausländische Investitionsvehikel, Superreiche, in Steueroasen ansässige Unternehmen und Pensionsfondsinvestoren» sind.

Die hohen Schulden, die sie sich aufgeladen haben, sind angesichts steigender Zinsen zunehmend zu einem Problem geworden. Im Juli drohte Thames Water aufgrund der Last zusammenzubrechen, die Regierung hatte schon Pläne für eine notfallmässige Verstaatlichung ausgearbeitet. Nur eine deftige Finanzierungsspritze der Aktionär:innen konnte den Kollaps vorerst abwenden.

Geldautomat für Investoren

1989 wurden Wasserversorgung und -klärung in England und Wales dem Privatsektor übergeben. Es war eines der letzten grösseren Privatisierungsprojekte – und eines der kontroverseren: Eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung war dagegen. Im Rückblick war die Skepsis durchaus gerechtfertigt. Versprochen wurden mehr Investitionen und mehr Effizienz. Aber schon bald war klar, dass es weder das eine noch das andere geben würde.

Vor der Privatisierung wurden alle Schulden der zehn neu gegründeten Wasserfirmen abgeschrieben, die Regierung warf ihnen sogar noch 1,5 Milliarden Pfund an Subventionen hinterher. Aber es dauerte nicht lange, da begannen die Firmen, sich Unmengen an Geld zu borgen. Insgesamt haben sie sich innert dreier Jahrzehnte etwa 60 Milliarden Pfund aufgeladen, wie die «Financial Times» ausgerechnet hat.

Aber ein grosser Teil davon floss nicht in Investitionen, sondern in Dividenden. 72 Milliarden Pfund über dreissig Jahre gingen an die Aktionär:innen. Eine Studie der Universität Greenwich bezeichnete das englische Wassersystem als einen «Geldautomaten für Investoren». Unterdessen sind die Rechnungen für die Verbraucher:innen seit der Privatisierung inflationsbereinigt um ein Drittel angestiegen – und die Kanalisation zeigt zunehmend Alterserscheinungen.

In Cornwall schlägt das Wetter um. Nach einem pittoresken Sonnenuntergang ziehen über Nacht Wolken auf, bald beginnt es zu tröpfeln. Der nächste Morgen hat Mühe, sich überhaupt bemerkbar zu machen. Düster und triefend nass ist es, zudem bläst ein kräftiger Wind vom Atlantik her über die Küste. Der Regen wird stärker, grosse Pfützen bilden sich auf den Strassen, von den Dächern rinnt es unentwegt. Die Tourist:innen verschanzen sich in Restaurants und Cafés, dort sitzen sie gebeugt über Tassen von «cream tea»schauen mit traurigen Gesichtern auf die Strassen und warten, bis der Regen endlich aufhört. Aber er hört nicht auf, vierzehn Stunden lang regnet es ununterbrochen.

Schon in den ersten Morgenstunden zeigt die SAS-App eine erste Warnung, einfach zu erkennen am Kotsymbol: In Marazion, an der Südküste von Cornwall, läuft gerade Abwasser ins Meer. Der betreffende Strand ist weitgehend leer, nur ein junges Paar wagt sich ins Wasser – an diesem stürmischen Tag wirkt es überraschend warm. Ein dickes, von Moos überwachsenes Abwasserrohr führt vom Ufer quer über den Strand ins Meer. Das Wasser, das rauskommt, dürfte grösstenteils Regen sein, aber es hat einen unverkennbaren bräunlichen Einschlag. Als die zwei Schwimmer:innen erfahren, dass hier offenbar gerade Abwasser rauskommt, verziehen sie die Gesichter – «Wie eklig!» – und verlassen das Meer. Sie kennen das, auch an ihrem Wohnort einige Kilometer weiter westlich komme das immer wieder vor.

Im Lauf des Tages erscheinen auf der SAS-App immer mehr Warnungen. Ein Strand nach dem anderen wird mit einem Fäkalsymbol versehen. Gegen 21.30 Uhr sind vierzehn Strände in ganz Cornwall als verschmutzt eingestuft: Rund um die Küste wird Abwasser ins Meer gepumpt.

Trevaunance Cove
Die Trevaunance Cove ist ein touristisches Idyll – wenn die regionale Wassergesellschaft nicht gerade Abwässer über den Strand in die Bucht laufen lässt.

Am nächsten Tag – es ist wieder sonnig –, sitzt Izzy Ross auf einer Holzbank auf der Terrasse des Surfklubs von Newquay, eine halbe Autostunde nordöstlich der Trevaunance Cove. «Die Wellen sind eigentlich recht ordentlich heute», sagt sie mit Kennerinnenblick, aber sie geht trotzdem nicht rein. «Auch hier ist gestern Abwasser ins Meer geflossen.» Ross ist 29 Jahre alt und bei Surfers Against Sewage für die Organisation der Kampagnen verantwortlich. Sie ist Umweltwissenschaftlerin, Riffökologie ist ihr Spezialgebiet. Früher arbeitete sie mal bei der Umweltschutzbehörde Natural England – sie kennt das Problem der schmutzigen Gewässer aus fast schon unangenehmer Nähe.

Izzy Ross, Kampagnenleiterin von Surfers Against Sewage
Izzy Ross, Kampagnenleiterin von Surfers Against Sewage

Eigentlich seien Abwasserüberläufe in die Natur, sogenannte Combined Sewer Overflows (CSOs), ein Notfallmechanismus, erklärt Ross. Das Dreckwasser aus Toiletten, Küchen und Badezimmern fliesst in dieselben Leitungen wie das Regenwasser. Wenn es heftig schüttet, können die Wasserrohre an die Grenzen ihrer Kapazität stossen, und das Abwasser könnte zurück in die Wohnhäuser fliessen. Die CSOs sind gesetzlich erlaubte Ventile, die dies verhindern sollen. «Damit haben wir überhaupt kein Problem», sagt Ross. «Aber sie sollten nur in aussergewöhnlichen Fällen genutzt werden.» Bei durchschnittlich über 800 Ausflüssen pro Tag sei jedoch klar, dass die Wasserbetriebe ihre Überlaufrohre auch bei Wetter öffnen, das alles andere als extrem ist. Eine im Januar publizierte Studie des Imperial College London hält fest: «Die chronische Unterkapazität der englischen Abwassersysteme ist eine fundamentale Ursache für die zunehmende Häufigkeit und Dauer der CSO-Ausläufe.»

Wasserleitungen voller Lecks

Seit den frühen 1990er Jahren sind die Investitionen der Wasserfirmen um ein Fünftel zurückgegangen. Die ausgelaugte Infrastruktur ist nicht nur bei Regen überfordert. Auch sind die Wasserleitungen voll von Lecks, sodass in England und Wales jeden Tag fast drei Milliarden Liter Wasser versickern. Hin und wieder kommt es vor, dass Leitungen platzen oder Pumpstationen kaputtgehen – dann sitzen ganze Landstriche auf dem Trockenen. Seit der Privatisierung haben die Betriebe kein einziges zusätzliches Reservoir gebaut, um für regenarme Perioden gewappnet zu sein.

Dazu kommt noch ein anderes Problem. Die Umweltbehörde ist in den vergangenen dreizehn Jahren derart zusammengespart worden, dass sie keine Mittel hat, Gesetzesverstösse zu ahnden. Die Abteilung für Umweltschutz hat im Zuge der Austerität seit 2010 rund die Hälfte ihres Budgets verloren. «Die Umweltbehörde hat nicht das Personal, um Abwasserabflüsse zu überwachen und die Betriebe zur Rechenschaft zu ziehen», sagt Izzy Ross. Drei Whistleblower von der Behörde bestätigten dies vergangenes Jahr: Gegenüber dem «Guardian» sagten sie, dass es kaum möglich sei, gegen Fälle von Umweltverschmutzung rechtliche Schritte einzuleiten, weil die Überwachung so löchrig sei. «Die Daten sind nicht mehr verfügbar», sagte einer.

Das erklärt auch, dass die Strafen vergleichsweise mickrig ausfallen: Zwischen 2018 und 2022 sind nur vier Wasserbetriebe wegen illegaler Sturmüberflüsse zur Kasse gebeten worden, die Bussen beliefen sich zusammengerechnet auf 94 Millionen Pfund – nichts als Peanuts für die Wasserfirmen. Zum Vergleich: Allein im Jahr 2022 verteilten die zehn Unternehmen insgesamt 1,4 Milliarden Pfund an Dividenden an ihre Investoren.

Weit wirksamer als die Aufsichtsbehörde sind Organisationen wie SAS oder die zahlreichen lokalen Kampagnen für saubere Flüsse und Küsten. Ihnen ist es zu verdanken, dass die Abwasserentsorgung in der Natur wöchentlich Schlagzeilen macht und die Öffentlichkeit drastische Massnahmen fordert. Im Mai organisierte SAS einen ihrer bislang grössten Proteste. In achtzehn Küstenorten gingen rund 3000 Aktivist:innen ins Wasser, mit Surfbrettern, Kajaks und Plakaten, auf denen etwa stand: «Fische statt Fäkalien» oder «Haltet euren Stuhlgang von unseren Ozeanen fern». «Die Wasserfirmen waren ganz schön genervt», sagt Ross. «Zum ersten Mal entschuldigten sie sich und gestanden Fehler ein – wenn sie auch keine Lösung vorlegten.»

Aktien statt Bussen

Viele Brit:innen haben allerdings eine recht konkrete Vorstellung davon, was die Lösung sein könnte oder zumindest der erste Schritt hin zu einem funktionierenden Abwassersystem: den 34 Jahre alten Fehler der Privatisierung rückgängig machen. Cat Hobbs ist eine von ihnen. Sie ist die Direktorin der Kampagne We Own It, die sich für die Vergesellschaftung der öffentlichen Dienstleistungen engagiert, von der Post bis zur Energieversorgung. «Die Wiederverstaatlichung der Wasserbetriebe ist kein Allheilmittel, aber ein staatliches System ist eine viel bessere Grundlage, das Problem der Umweltverschmutzung zu beheben», sagt die Vierzigjährige via Zoom aus ihrem Büro in Oxford.

«Die Idee hinter der Privatisierung war mehr Effizienz. Das Wassersystem wäre in den Händen von flinken, modernen Firmen, selbstverständlich würden sie investieren und einen besseren Service bieten – so dachte man damals», sagt Hobbs. «Aber diese Theorie fällt in sich zusammen, wenn es keinen Markt gibt. Denn wir haben es mit regionalen Monopolen zu tun.» So hätten die Firmen gar keinen Anreiz, ausreichend zu investieren. «Ihre Priorität sind die Aktionäre. Zum Vergleich: Scottish Water, das in öffentlicher Hand ist, investiert 35 Prozent mehr als die englischen Betriebe.»

Eine grosse Mehrheit der Brit:innen sieht es genauso. In Umfragen sagen rund zwei Drittel der Bevölkerung, dass sie gern ein staatliches Wassersystem hätten; selbst unter konservativen Wähler:innen würde eine grosse Mehrheit ein Ende der Privatisierung begrüssen. Das Problem: «Die grossen politischen Parteien in Grossbritannien sind sehr engstirnig, wenn es um Vergesellschaftung geht», sagt Hobbs. Selbst die Labour-Partei gibt sich lustlos – man könne die Wasserqualität auch ohne Verstaatlichung verbessern, sagte ihr Vorsitzender Keir Starmer kürzlich.

Also haben sich Cat Hobbs und ihre Kolleg:innen bei We Own It etwas überlegt: keine schlagartige Verstaatlichung, sondern eine langsame, schrittweise Rücknahme der Betriebe in die öffentliche Hand. «Aktien statt Bussen» heisst die Kampagne, die Ende Juli lanciert wurde. «Die Firmen scheren sich offensichtlich nicht um die Strafzettel, die ihnen die Umweltbehörde aufbrummt – es sind für sie ganz normale Geschäftskosten», sagt Hobbs. «Unser Vorschlag ist, dass wir stattdessen ihre Aktien übernehmen.»

Cat Hobbs, Direktorin der Kampagne We Own It
Cat Hobbs, Direktorin der Kampagne We Own It

Konkret würde in jeder Region eine Art Schattenwasserbehörde gegründet. In deren Vorstand wären Verbraucher:innen, Angestellte, lokale Kampagnen und gewählte Kommunalpolitiker:innen vertreten. Diese Behörden würden dann bei jedem Gesetzesbruch eines Wasserbetriebs einen Anteil von dessen Aktien in Besitz nehmen, «zum Beispiel fünf Prozent für moderate Vergehen, zehn Prozent bei richtig schlimmen Fällen von Umweltverschmutzung», sagt Hobbs. «Nach und nach bringen wir die Betriebe zurück in die staatliche Hand. Und es wäre keine Verstaatlichung von oben herab: Die Lokalbevölkerung hätte eine direkte Mitsprache, und das würde viel mehr Transparenz schaffen.» Es sei nicht so, dass England das einzige Land sei, das unter verschmutzten Gewässern leide. «Aber ohne staatliches System fehlt uns ein wichtiges Werkzeug, um das Problem anzugehen. Anstatt dass wir die Kontrolle über unser Wasser fernen Aktionären überlassen, können wir die Gemeinschaft miteinbeziehen, darunter Gruppen wie SAS.»

Am Strand von Newquay ist es hektisch geworden, Hunderte Badegäste und Surfer:innen vergnügen sich in den Wellen. Izzy Ross schaut skeptisch aufs Getümmel. Manche wüssten noch immer nichts von der monumentalen Verschmutzung, die hier regelmässig verursacht werde, sagt sie. Aber es werden immer mehr, und das macht ihr Mut. «Die Öffentlichkeit weiss, dass sie hinter einer Kampagne steht, die eine greifbare Lösung hat. Im Gegensatz etwa zum Klimawandel ist es vergleichbar einfach, die Wasserverschmutzung zu stoppen.» Mit jeder Tonne Abwasser, die ins Meer gepumpt wird, gewinnt die Kampagne gegen die Wasserbetriebe an Fahrt.

Kurz nach dem Besuch in Cornwall kommt schon die nächste Ladung. An der Triathlonweltmeisterschaft Ende Juli schwammen rund 2000 Athlet:innen im Meer bei Sunderland an der nordenglischen Küste. Kurz darauf lagen 57 Teilnehmer:innen mit Übelkeit und Durchfall flach. Wenige Tage zuvor hatte die Umweltbehörde in der Nähe eine Wasserprobe genommen, die Konzentration von E-Coli-Bakterien war fast vierzig Mal höher als normal. «Ich fühle mich ziemlich mies seit dem Rennen», schrieb ein australischer Triathlet auf Instagram. «Ich denke, das passiert halt, wenn man in Scheisse schwimmt.»

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