Literatur: Quiche Lorraine ohne Katastrophe

Nr. 35 –

Nur ein Abendessen, aber so einfach ist das nicht. Fünf Leute um die vierzig: die Gastgeberin mit der neuen Wohnung und ihr Freund, ein Ehemann und eine Ehefrau, gerade frisch Eltern geworden, sowie «der Schweizer». Sie alle haben wenig Übung sowohl mit Einladungen als auch im Erwachsensein, aber mittlerweile etwas mehr Geld auf dem Konto, ein bisschen mehr Anspruch (Crémant!), ausserdem offenbar keine Zeit mehr, sich zufällig zu sehen.

Drei Anläufe nimmt die Wiener Autorin Teresa Präauer in «Kochen im falschen Jahrhundert», das soeben für den Deutschen Buchpreis nominiert wurde, diesen Abend in unterschiedlichen Varianten zu erzählen. Immer gibt es hier Quiche Lorraine sowie jene Art Gespräche, die gern passieren, wenn man sich nicht allzu vertraut ist: tendenziell belanglos und immer gefährlich nah am Gezänk.

Es wäre leicht, mit dieser Anlage in Zynismus zu verfallen: ein Roman über den gebildeten, städtischen Mittelstand, über Menschen, die über Ähnliches nachdenken, die Yotam Ottolenghi mögen und nordisches Design, die weltoffen reden und eine Restspiessigkeit nicht abschütteln können. Natürlich ist es nichts Neues und gehört also zu diesem Dasein ebenso dazu, sich davon zu distanzieren und es lächerlich zu machen. Vielleicht ist es dieses Wissen, das Präauer davon abhält, allzu hart mit ihren Protagonist:innen ins Gericht zu gehen.

So schürt das eher Mitgefühl als Schadenfreude, wenn es mit der Lockerheit nicht recht klappt. Sowieso sind die Tafelgäste mit ihren unangebrachten Kommentaren, Selbstzweifeln und ihrer vom Alkohol beflügelten Meinungsstärke zwar furchtbar nervig, aber eben auch sehr normal: Die meisten Situationen könnte man genau so oder ähnlich erlebt haben oder hat man tatsächlich schon erlebt, an irgendeinem Abend, bei irgendeiner Einladung. Schliesslich sei es ihnen vergönnt: Auch diese Gemeinschaft, so holprig sie durch ihr Abendessen stürzt, wird doch von ebenjenem zusammengehalten (auch wenn die Befriedigung zum Schluss von woanders kommt).

Gastgeber:in sein ist eine hohe Kunst, das unterstreicht Präauer mit jeder weiteren Wendung. Wie viel da schiefgehen kann, auch wenn es gar nie zur grossen Katastrophe kommt, ist in diesem Kammerspiel höchst vergnüglich nachzulesen.  

Die Autorin liest am Sonntag, 3. September 2023, um 11 Uhr im Zentrum Paul Klee, Bern.

Buchcover
Teresa Präauer: «Kochen im falschen Jahrhundert». Wallstein Verlag. Göttingen 2023. 198 Seiten. 27 Franken.