Film: Ewald und die Knaben
Wussten alle diese Buben, in was für einem Film sie da mitspielten? Und waren sie alle immer ausreichend betreut dabei? Zweimal nein, urteilte der «Spiegel» im Herbst 2022 in einer Enthüllungsstory über die Dreharbeiten zu Ulrich Seidls Film «Sparta» in Rumänien (siehe WOZ Nr. 38/22). Schlüssig beantwortet sind diese Fragen bis heute nicht. Unbehagen gehört bei Seidl seit jeher zum Programm, die Vorwürfe des «Spiegels» zu seiner Arbeitsweise wies er als diffamierendes «Zerrbild» zurück.
«Sparta» ist der Geschwisterfilm zu «Rimini» (2022), Seidls erstaunlich zartem Porträt über einen alternden Provinzsänger, der sich mit Sexarbeit für seine weiblichen Fans über die Runden bringt (siehe WOZ Nr. 40/22). Im Zentrum von «Sparta» steht nun dessen jüngerer Bruder Ewald (Georg Friedrich), der als Ingenieur in Rumänien lebt. Seine rumänische Freundin will dauernd Sex, aber Ewald balgt lieber mit ihren kleinen Neffen. Als die Heirat droht, türmt er. Auf dem Land sucht er ein baufälliges altes Schulhaus, das er auf Vordermann bringt, zusammen mit einigen Knaben, die er in der Gegend aufliest. Es soll eine Judoschule werden für die Buben aus dem Dorf. Es wird dann mehr eine hellenische Festung aus Sperrholz mit Ewald als Göttervater Zeus.
Dass sein alter Nazivater (wie schon in «Rimini») zu Hause in Österreich im Altersheim verdämmert, während Ewald weiter östlich sein eigenes, in anderer Weise perverses Lager errichtet: Das ist so eine typische Seidl-Pointe. Seine stärksten Momente hat «Sparta» dort, wo der Film bei einem von Ewalds Schützlingen einen doppelten Missbrauch andeutet: Vor der Abhärtung und der Gewalt, die er durch den eigenen Vater erfährt, sucht der Bub Zuflucht beim fürsorglicheren Ersatzvater in der Festung. Aber auch wenn Seidl sichtlich bemüht ist, Ewalds pädophile Neigungen im Film nur anzudeuten: Als es Sommer wird und die Buben im Camp praktisch nur noch in Unterhosen herumlaufen, kippt die Inszenierung der schwitzenden Knabenkörper ins Semipornografische.