Rechtsextremismus auf Zypern: Gewalt am Tor zu Europa
Zum wiederholten Mal haben Rechtsextreme auf der Mittelmeerinsel Menschen und Geschäfte angegriffen. Zwar ist danach bald wieder Ruhe eingekehrt – doch bereits sind weitere Demonstrationen angekündigt.
Erschreckende Ereignisse im zyprischen Limassol: Hunderte Rechtsextremist:innen marschierten am 1. September mit Fahnen und Bannern durch die zweitgrösste Stadt der Insel. Sie griffen Migrant:innen an und zerstörten Schaufensterscheiben von Geschäften mit nichtgriechischen Werbetafeln. Es wurden Mülleimer angezündet, teils vermummte Demonstrant:innen hielten Transparente mit der Aufschrift «Flüchtlinge nicht willkommen» hoch und skandierten «Migranten raus aus Zypern». Am nächsten Tag folgte eine friedliche Gegendemonstration gegen Rassismus mit Hunderten Teilnehmenden. Der Staatschef Nikos Christodoulidis warf der Polizei einen zu zögerlichen Einsatz vor und bezeichnete die Unruhen als «beschämend». «Es kann nicht sein, dass der Staat seine Bürger und Fremde nicht schützen kann», sagte er. Auch alle Parlamentsparteien verurteilten die Ausschreitungen, im Zuge derer fünf Personen verletzt worden waren.
Zwar ist inzwischen wieder Ruhe eingekehrt. Auf Zypern gibt es aber immer wieder Übergriffe auf Migrant:innen. So hatten schon zu Beginn der vergangenen Woche Rechtsextremist:innen im westlichen Paphos Geflüchtete angegriffen. Auch deutet nichts darauf hin, dass es solche Ausschreitungen in Zukunft nicht mehr geben wird. Im Gegenteil: Die Situation auf Zypern ist angespannt. Lokale Medien haben berichtet, dass Rechtsextremist:innen weitere Proteste planen.
Hoffnung auf eine Weiterreise
Im Verhältnis zur Bevölkerungsgrösse verzeichnet Zypern laut einer EU-Statistik die meisten Asylanträge pro Jahr. So wurden 2022 rund 22 000 Anträge registriert. Etwa 1,2 Millionen Menschen leben auf Zypern, laut Innenministerium machen Migrant:innen sechs Prozent der Bevölkerung aus. Viele der Ankömmlinge hoffen, dass Zypern für sie das Tor zu anderen europäischen Ländern ist. Die Regierung fordert immer wieder Hilfe aus Brüssel an, etwa mehr finanzielle Unterstützung für die Sicherung der Aussengrenzen.
Die Situation der Geflüchteten auf der Insel ist desaströs. Es fehlt an allem: an Platz, an sanitären Anlagen, an Wasser, sogar Lebensmittel sind knapp. Weil es in den Aufnahmelagern keinen Platz mehr gibt, haben sich informelle Camps gebildet, in denen die Menschen in Armut leben. Das zyprische Asylsystem versagt: Die Bearbeitung der Asylanträge dauert teils mehrere Jahre. Menschenrechtsorganisationen wie der Zyprische Flüchtlingsrat werfen den Behörden Fahrlässigkeit vor. Es fehle eine umfassende Migrations- und Integrationsstrategie auf der Insel. Zwar hat Präsident Christodoulidis nach seiner Wahl im Februar eine schnellere Bearbeitung von Asylanträgen versprochen. Wie das umgesetzt werden soll, ist bisher fraglich.
Die Verzögerungen bei den Asylanträgen, gepaart mit der Überfüllung in den Camps, führen auch zu Spannungen unter den Bewohner:innen. Im Oktober vergangenen Jahres etwa eskalierte ein Streit um ein Ladekabel derart, dass Migrant:innen Zelte im Aufnahmelager in Pournara anzündeten, Familien flohen aus dem Lager. Auch gab es schon heftige Streitigkeiten zwischen den Bewohner:innen, weil manche den Eindruck haben, dass Menschen aus bestimmten Ländern wie etwa Syrien von den Behörden bevorzugt behandelt werden. Diese dürften die Lager öfter verlassen als etwa Menschen vom afrikanischen Kontinent.
Spannungen mit der Türkei
Die hohe Zahl an Schutzsuchenden hat auch mit dem speziellen Status der Insel zu tun: Nach einem griechischen Putsch und einer Intervention des türkischen Militärs ist die Insel seit 1974 geteilt. Seit 2004 ist die Republik Zypern Mitglied der Europäischen Union. Der Norden wird von türkischen Truppen besetzt, die dortige Regierung wird international nicht anerkannt.
Eine im vergangenen Jahr veröffentlichte Analyse in einem EU-Bericht zu Migration zeigte auf, dass sich auf der östlichen Mittelmeerroute die Zahl der Ankünfte 2022 im Vergleich zu 2021 verdoppelt hat, was die Situation in Zypern zusätzlich erschwert. Die meisten Menschen auf dieser Route seien syrische, nigerianische und türkische Staatsbürger:innen. Etwa 85 Prozent aller Schutzsuchenden, die Zypern erreichen, kommen im Norden der geteilten Mittelmeerinsel an. Sie ziehen weiter über die von den Vereinten Nationen kontrollierte Pufferzone in den Süden, wo sie Asyl beantragen können.
Die ohnehin schon angespannte Stimmung wird von zyprischen Rechtskonservativen noch zusätzlich angeheizt. Zudem führt die Migration auch zu Spannungen mit dem Nachbarland Türkei. So behauptet der zyprische Innenminister Nicos Nouris, dass der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan die Demografie des Landes beeinflussen wolle. Weil viele Migrant:innen, die nach Zypern kommen, aus der Türkei einreisen, ist sich Nouris sicher: Ankara steuere die illegale Einwanderung. Viele der Schutzsuchenden fliegen aus der Türkei zum nordzyprischen Flughafen Ercan. Diese würden dann mit türkischer Hilfe über die sogenannte Green Line in den südlichen Teil der Insel geschleust, behaupten Rechte wie Nouris. Er hat deswegen schon von Brüssel gefordert, die Fluggesellschaft Turkish Airlines zu sanktionieren.