Geflüchtete im Niger: Wo Europas südlichste Grenze beginnt
Innert weniger Jahre hat sich der Sahelstaat Niger zum zentralen Partner der EU-Abschottungspolitik gemausert. Seither sind die Reiserouten wesentlich gefährlicher geworden. Eine Recherche in der Wüstenstadt Agadez.
Als sich der Pick-up überschlug, auf dem Menkam Linou mit ihrer siebenjährigen Tochter sass, dachte sie nicht, dass sie überleben würde. Denn bleibt man in der Ténéré-Wüste nördlich von Agadez auf dem Weg nach Libyen einmal zurück, sind die Chancen auf Rettung gering.
«Wir hatten Glück», sagt Linou. Bis auf eine ausgekugelte Schulter seien sie und ihre Tochter unverletzt geblieben. Wäre sie damals in der Wüste nicht von einer Patrouille der Uno-Agentur IOM (Internationale Organisation für Migration) aufgefunden worden, würde sie heute nicht hier sitzen, auf einem Korbstuhl im Innenhof eines Kulturzentrums in Agadez. Über Linou raschelt der Wind in den Bäumen. Es ist einer der wenigen Orte in der Wüstenstadt mit offiziell gegen 140 000 Einwohner:innen, an denen es auch mittags kühl bleibt. Und wo Menkam Linou fernab des Geflüchtetenlagers ungestört sprechen kann.
Ihre jüngere Tochter Mami liegt fest in ein buntes Tuch gewickelt auf ihrem Schoss. Mit der kleinen Mütze auf dem Kopf hat sie ein fast so rundes, glattes Gesicht wie ihre Mutter.
Seit einem Jahr wartet Linou mit ihren beiden Töchtern auf den Entscheid über ihren Asylantrag durch die nigrischen Behörden. Eigentlich heisst sie anders. Aus Kamerun, wo es seit 2016 immer wieder zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen kommt, ist sie 2020 geflohen – einige Monate nachdem eine Miliz ihr Haus überfallen hatte. Ihr Mann wurde dabei getötet.
Linou begann in der Folge, Geld mit Sexarbeit zu verdienen. Zunächst, um ihre Familie durchzubringen. Dann, um genügend Geld zusammenzubekommen, um das zentralafrikanische Land zu verlassen. Ihr Ziel: Nordafrika. Und wenn es dort nicht funktionieren sollte: Europa. Sie schaffte es bis in den Niger, in die Region Agadez. Die Weiterfahrt nach Libyen sollte jedoch scheitern.
Was 2022 auf der Reise durch die Wüste passierte, kann sie nur mehr in Bruchstücken erzählen. Was aber sicher ist: Ihre heute fünf Monate alte Tochter Mami, die auf ihrem Schoss schläft, wurde auf dem Weg durch die Wüste bei einer Vergewaltigung gezeugt. Sie wacht auch dann nicht auf, als ihre Mutter zu singen beginnt. Das tut Menkam Linou immer dann, wenn ihr die Gefühle in den Hals steigen.
Etwa eine Stunde hat die Fahrt mit dem Motorradtaxi in die Innenstadt für Linou und ihre Tochter gedauert. Sie wohnt im Geflüchtetenlager des UNHCR, das rund zwölf Kilometer südlich liegt, hinter einem kleinen Checkpoint. Dort, wo sich die Sahara auf alle Seiten hin öffnet und es bald keine Eckpfeiler der Orientierung mehr gibt. Und wo die südlichste Grenze Europas beginnt.
Das Gesetz 036
Schon seit Jahrhunderten ist Agadez eine wichtige Wegkreuzung auf den Routen durch die Sahara. Menschen kommen hier vorbei, wenn sie von Oase zu Oase ziehen, vom Süden her hinauf zum Aïr-Gebirge und dann weiter in Richtung Norden. Bis Anfang der neunziger Jahre lebte die Oasenstadt zudem vom internationalen Tourismus. In Reiseführern wurde Agadez als «Tor zur Wüste» gepriesen; es war Ausgangspunkt für Reisen zu schillernden Oasen in der Region, Charterflüge kamen direkt aus Paris.
Dann rebellierten Mitte der Neunziger die Tuareg: Sie forderten mehr Unabhängigkeit von der Zentralregierung in Niamey. In den nuller Jahren kamen dschihadistische Gruppen und kriminelle Banden hinzu. Der Tourismus, und damit eine wichtige Einkommensquelle, brach allmählich ein. In den Souvenirshops rund um die Lehmmoschee in der Altstadt liegt heute Staub.
Fluchtrouten im Niger
Die lokale Wirtschaft stützt sich seither vor allem wieder auf einen Zweig: die Migration. Menschen ziehen auf dem Weg von Zentral- und Westafrika in Richtung Mittelmeerstaaten durch die Stadt. Nach dem Sturz von Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 nahm die Zahl der Migrant:innen in Agadez noch einmal zu. Vermehrt haben sie seither auch das Ziel, nach Europa aufzubrechen.
Das Geschäft mit der Migration soll für mehr als 6000 Menschen direkte Arbeitsplätze geschaffen haben: als Fahrer, Unterkunftsvermieterinnen oder Vermittler. Auf den Märkten im Stadtzentrum fanden Wasserflaschen, kleine Snackpakete und Rollkoffer Absatz. Die meisten Reisenden verbrachten ein paar Nächte in der Stadt, sie kauften noch das Nötigste, bevor es auf der Ladefläche eines Pick-ups oder eines Lastwagens auf den beiden Hauptrouten durch die Wüste nach Libyen oder Algerien ging.
Heute ist auch dieses Geschäft versiegt. Denn acht Jahre nachdem die nigrische Regierung das einschneidende «Gesetz 2015–036» auf den Weg gebracht hat, fahren die Transporteure, die früher regulär Steuern für ihr Geschäft zahlten, keine Reisenden mehr durch Agadez in den Norden.
Im Jahr 2015 – auf dem Höhepunkt von Europas sogenannter Flüchtlingskrise – erliess die nigrische Regierung mit Unterstützung der EU ein neues Gesetz, das es fortan verbot, Migrant:innen nördlich von Agadez zu transportieren oder sie in der Stadt zu beherbergen. Im folgenden Jahr begannen die Behörden, die Wüstenrouten sukzessive dicht zu machen. Fahrer, die Menschen nun illegal durch die Wüste transportierten, wurden verhaftet, ihre Pick-ups beschlagnahmt. Bei Verstössen gegen das Gesetz 036 drohen bis zu zehn Jahre Haft oder Geldbussen über mehrere Tausend Euro. Die zuvor registrierten Fahrer stellten ihre Dienste ein, oder sie stiegen auf andere Transportgewerbe um. Andere Fahrer, manche auch aus den Nachbarländern, begannen, das Geschäft zu übernehmen.
Das Gesetz würde verhindern, dass sich weiterhin Menschen auf den gefährlichen Weg machten und später auf dem Mittelmeer stürben, so die offizielle Begründung. Dabei war von Anfang an klar: Das Gesetz 036 diente dazu, den Weg in Richtung Europa zu versperren. Denn ein Grossteil der Menschen, die damals auf Booten an der italienischen Küste ankamen, waren irgendwann zuvor in Agadez vorbeigekommen. Auch deshalb wurde der Niger zu einem Fokusland der EU. Neben der internationalen Migration, auf die es abzielte, beeinträchtigte das Gesetz laut zahlreichen Studien fortan auch die Bewegungsfreiheit der nigrischen Bevölkerung. Und es schränkte die jahrzehntealte zirkuläre Arbeitsmigration in der ganzen Region massiv ein.
Derweil wurde der Niger, das drittärmste Land der Welt, zu einem «Schlüsselpartner» der EU. Im Gegenzug für die Implementierung des Gesetzes 036 ist das Land zu einem der grössten Empfänger humanitärer Hilfe und von Entwicklungsgeldern aus Europa geworden: Über eine Milliarde Euro sind in den vergangenen acht Jahren für Hilfsprojekte ins Land geflossen. Millionen davon auch in die «Migrationssteuerung» und in die Bekämpfung von «kriminellen Schleusernetzwerken».
Zwischen 2015 und 2022 sollen dreizehn von neunzehn EU-finanzierten Projekten im Niger ausschliesslich der Grenzkontrolle und dem Strafvollzug gedient haben, heisst es in einem Bericht der katholischen Hilfsorganisation Misereor. Die entsprechenden Projektvolumen belaufen sich demnach auf fast 400 Millionen Euro. Die britische Menschenrechtsorganisation Privacy International kommt in einer Studie zum Schluss, dass der Niger zu einer «externalisierten europäischen Grenze» geworden sei.
Wege zum Überleben
Am Militärcheckpoint von Agadez ist davon nicht viel zu sehen. Die Soldaten stehen am Wüstenrand unter einer grünen Plane. Rasch wird klar, dass sie mit dem Thema Migration nicht mehr in Verbindung gebracht werden wollen: «Hier fahren keine Migranten durch», sagt einer der Soldaten laut. Tatsächlich sank die Zahl der Menschen, die den Niger durchquerten, nach 2016 deutlich. Zählte die IOM 2016 noch über 300 000 Migrant:innen auf dem Weg nach Libyen und Algerien, sollen es 2017 nur mehr knapp 70 000 gewesen sein. Am heutigen Tag sind es denn auch vor allem Arbeiter aus den Gold- und Uranminen im Norden der Region, die in der Abendsonne mit staubbedeckten, müden Gesichtern auf hochbeladenen Lastwagen am Checkpoint vorbei nach Agadez zurückkehren.
Wie sehr den Statistiken zu trauen ist, lässt sich allerdings nur schwer sagen. Denn die Migrationsrouten, so erfährt man vor Ort, haben sich ins Gebiet östlich von Agadez verlagert. Tiefer in die Wüste hinein, wo keine Polizeischeinwerfer hinreichen. Und wo auch Wasser, Benzin und Medizin schwer zu finden sind, was tödliche Folgen haben kann.
Einer, der von den neuen Reisepfaden zu berichten weiss, ist Sade Yaya. Er sitzt seit neun Monaten im Gefängnis von Agadez. Jahrelang hat er Menschen durch die Wüste nach Libyen gefahren; begonnen hat er damit erst nach der Einführung von Gesetz 036. Auch Yaya möchte nicht, dass sein richtiger Name in der Zeitung steht. Er ist ein schmächtiger Mann, von seiner Oberlippe stehen kleine Bartbüschel ab. Schnell sei er gewesen: In zwei Tagen habe er eine Strecke zurückgelegt, für die andere eine Woche brauchten. Auf seinem Pick-up hätten 25 Menschen Platz gehabt. 230 Euro pro Person. Andere Fahrer, sagt er, würden weitaus mehr verlangen.
Yaya ist der Überzeugung, nichts Falsches gemacht zu haben. Weil Menschen seiner Meinung nach immer neue Wege zum Überleben finden müssten, trotz Antischmuggelgesetz. «Klar», sagt Yaya aber auch, «es gibt nicht nur gute Fahrer.» Er sitzt nach vorne gebückt, spricht leise und schnell. Er fährt mit seinem Zeigefinger über den blauen Holztisch, als könne er die Fahrstrecke vor sich sehen. Immer wieder sei es vorgekommen, dass Fahrer sich auf ihren Umwegen verkalkuliert hätten. Dann sei das Benzin ausgegangen oder das Wasser, und sie hätten die Menschen in der Wüste zurückgelassen, um allein zu den Wasserstellen zu fahren. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Fahrer in solchen Fällen zurückkehrten, sei gering. Genauso wie die Chance, dass die Reisenden von den sporadischen Suchpatrouillen des IOM oder des nigrischen Militärs gefunden würden.
Das wusste auch Alan Rabi, als er vor zwei Jahren mit etwa 75 anderen Menschen in die Wüste fuhr, Richtung Libyen. Der dreissigjährige Senegalese erzählt seine Geschichte an einem warmen Nachmittag in einem Innenhof in Agadez. «Wir hatten drei Gallonen Wasser à sechzig Liter dabei», sagt Rabi. Auch er heisst eigentlich anders.
Tagelang seien die drei Pick-ups durch die Wüste gefahren, bis ihnen auf der Höhe von Séguédine, einer Wüstensiedlung im Nordosten des Niger, das Benzin ausgegangen sei. Die Fahrer hätten die Menschen in der Wüste absteigen lassen, um allein zu einer Tankstelle zu fahren. Und zwar aus Angst: Sie wollten keinesfalls mit Reisenden an Bord von einer Militärpatrouille erwischt werden.
Zwei Tage habe es gedauert, bis die ersten Kämpfe ums verbliebene Wasser ausgebrochen seien, erzählt Rabi. Am dritten Tag sei nichts mehr übrig gewesen. Immer mehr Menschen hätten sich aus Verzweiflung auf den Weg in die Wüste gemacht, um irgendwo Wasser und Hilfe zu holen. Er aber blieb sitzen: Kurz vor seinem Aufbruch hatte ihn ein Freund gewarnt, dass es den sicheren Tod bedeute, zu Fuss durch die Wüste zu gehen. Während er weiter ausgeharrt habe, seien neben ihm immer mehr Menschen kollabiert, sagt Rabi. Als die Gruppe nach vier Tagen von der nigrischen Polizei aufgefunden wurde, konnten von den etwa 75 Menschen nur noch 28 lebend geborgen werden.
Im vergangenen Jahr verzeichnete das «Missing Migrants Project» der IOM 212 Todesfälle in der Sahara. Das sei aber bloss «die Spitze des Eisbergs», sagt Julia Black, die Leiterin des Projekts. Die Zahl setzt sich zusammen aus offiziellen Berichten von Hilfsgruppen wie dem Alarme Phone Sahara (siehe WOZ Nr. 33/22) sowie aus Erfahrungsberichten von Reisenden, die aus der Wüste zurückkehren. Wo genau Menschen zurückgelassen wurden, ist oft nur vage zu eruieren. Auch weil der Wüstenwind verstorbene Menschen innert weniger Stunden im Sand vergraben kann.
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) warnt zudem, dass die sexualisierte Gewalt in den vergangenen Jahren «stark» zugenommen habe. Die Organisation ist in der Sahara entlang mancher Wasserstellen mit mobilen Kliniken präsent und fährt vereinzelt auch Rettungsaktionen. In den meisten Fällen würden die Frauen von «Grenzbeamten, Mitreisenden oder von Schleppern» sexuell missbraucht, so MSF Niger auf Anfrage.
Aufflammende Proteste
Ein paar Tage nach dem Treffen im Kulturzentrum winkt Menkam Linou mit ihren beiden Töchtern unter einem kleinen Vordach neben dem Wassertank des Geflüchtetenlagers hervor. Sie lächelt, als sie den Besuch sieht. Seit der Pandemie seien keine Journalist:innen mehr im Camp gewesen, sagt sie. In einem Lehmhaus nebenan diskutieren Bewohner:innen gerade mit einer Hilfsorganisation darüber, wie es mit der Schulbildung weitergehen soll. Denn seit Monaten haben die Kinder im Lager nicht mehr Lesen und Schreiben lernen können.
«Hier ist der hintere Teil abgebrannt», sagt Linou und deutet zur ehemaligen Krankenstation. Seit es 2022 zu gewaltsamen Protesten kam, ist sie nicht mehr geöffnet. «Dieser Ort scheint für viele gar nicht mehr zu existieren», sagt Linou, während sich immer mehr Menschen um sie sammeln und ebenfalls sprechen möchten.
Linou hält den Schlüssel zu ihrem Container fest in der Hand. Auch ihre Ausweisdokumente trägt sie stets bei sich. Als sie vor zwei Jahren aus Kamerun geflohen sei, habe sie gehofft, irgendwo anzukommen. Aber auch heute fühle sie sich nicht sicher. Wiederholt kam es in den vergangenen Jahren zu Protesten im Lager. Vor einem Jahr spitzte sich die Situation erneut zu, nachdem gemäss UNHCR ein Mann aus dem Sudan während einer Auseinandersetzung zwischen den Bewohner:innen und der Polizei erschossen wurde. Die Tat ist bis heute nicht aufgearbeitet worden.
Einer der Gründe für die aufflammenden Proteste seien die langen Wartezeiten für die Asylanträge, erzählen einige Bewohner:innen. Dafür zuständig ist das Büro für Asylfragen – im zwölf Kilometer entfernten Verwaltungszentrum von Agadez, mitten in der Stadt. Dort steht Yacouba Soukeyadjou, der für die Bearbeitung der Asylanträge in der Region Agadez zuständig ist. Er ist ein kleiner Mann, dessen Lächeln sofort verfliegt, als er anfängt, von den Strapazen seines Jobs zu erzählen. Momentan enthalte seine Datenbank 1773 Asylanträge, für deren Bearbeitung er zusammen mit seinen drei Mitarbeiter:innen vier Jahre brauche – vorausgesetzt, dass kein Antrag mehr dazukomme. «Wir brauchen dringend Personal», sagt er.
Europa weiss von nichts
Viele Antragsteller:innen, unter ihnen Menkam Linou, berichten jedoch, dass ihnen im Niger auch mit anerkanntem Asylstatus kaum eine Perspektive bleibe. Der Sahelstaat, in dessen direkter Nachbarschaft sich von Mali über Burkina Faso, Nordnigeria und den Tschad bis zu Libyen eine ganze Reihe politischer Krisenherde befindet, ist derzeit auch im Landesinnern immer stärker von klimabedingten Migrationsbewegungen und einer anhaltenden Hungerkrise betroffen. Aus EU-Sicht ist die Partnerschaft mit dem Niger indes ein Erfolgsmodell, das auch auf andere afrikanische Länder ausgeweitet werden soll: Als «Migrationschampion» hat Ugochi Daniels, eine ranghohe IOM-Funktionärin, das Land bezeichnet.
Weiss die EU-Kommission, wie viele Menschen in der Wüste vermisst werden? Auf eine entsprechende Anfrage kommt von dort die Antwort: Man sei «in keiner Position, um Stellung zu beziehen». Vonseiten des Joint Investigation Team, einer europäischen Polizeieinheit, die die nigrischen Behörden vor Ort beim Kampf gegen Menschenschmuggel unterstützen soll, heisst es, dass nach 2017 keine «bedeutenden Entdeckungen» verstorbener Migrant:innen gemacht worden seien. Und die EU-Grenzschutzagentur Frontex gibt an, «keine Daten über die Zahl der in Niger als vermisst gemeldeten Migranten» zu verzeichnen. Frontex verweist weiter an das nigrische Innenministerium – das die Anzahl der Toten in der Wüste in diesem Jahr bislang auf null beziffert. Im letzten Jahr sollen 52 Menschen gestorben sein.
Für die Migrant:innen, deren Weiterreise verhindert wurde, gibt es bloss noch einen offiziellen Weg raus aus Agadez: jenen der IOM. Die Uno-Organisation betreibt im Niger neben anderen Hilfsprojekten auch das weltweit grösste Rückkehrprogramm. Finanziert wird es von der EU mit insgesamt rund 180 Millionen Euro. 2022 sind in dessen Rahmen über 15 000 Menschen vom Niger in ihre Heimatländer geflogen worden. Und momentan warten im kleinen Geflüchtetencamp bei Agadez, auf das von aussen bloss eine blaue Stahltür mit IOM-Logo hinweist, über 2000 Menschen auf die Ausreise. Zusätzlich befinden sich auf der Warteliste des IOM auch Zurückgekehrte aus der Wüste, die ohne Obdach in den umliegenden Strassen des Camps oder in Unterkünften am Stadtrand leben.
Für viele Geflüchtete wie Menkam Linou ist die Rückkehr ins Herkunftsland aber aufgrund fehlender Perspektiven oder einer schlechten Sicherheitslage gar keine Option. Sie stecken auf unbestimmte Zeit in Agadez fest. «Ohne das Singen hätte ich die letzten Monate in dieser Situation nicht überlebt», sagt Linou und setzt wieder zum Gesang an. Ein Lied, das sie daran erinnern soll, dass es im Leben immer weitergeht. Auch wenn es ihr oft schwerfällt, daran zu glauben.
Mitarbeit bei der Recherche: Katy Fallon. Mitarbeit und Übersetzung vor Ort: Moctar Dan-Yaye.
Diese Recherche wurde durch einen European Cross-Border Grant des Journalismfund Europe ermöglicht.