Dekarbonisierung: Die Superreichen können zahlen

Nr. 37 –

SP und Grüne folgen einem internationalen Trend und wollen mit einem Klimafonds die Dekarbonisierung der Schweiz beschleunigen.

Die US-Regierung unter Joe Biden pumpt grosse Summen in grüne Technologien, meist in Form von Subventionen. 400 Milliarden Dollar stehen dafür zur Verfügung. Die EU hat einen Klimasozialfonds mit 55 Milliarden Euro eingerichtet, der einkommensschwache Haushalte und Kleinunternehmen unterstützt. In diese Richtung zielen auch die Klimafonds-Initiative (SP, Grüne) und das Volksbegehren «Initiative für eine Zukunft» der Jungsozialist:innen. Derzeit befinden sich alle beim Unterschriftensammeln im Endspurt.

Grüne und SP wollen 0,5 bis 1 Prozent des Bruttoinlandprodukts in die Dekarbonisierung der Schweiz investieren – das wären jährlich zwischen vier und acht Milliarden Franken. Klimagerechtigkeit und soziale Abfederung spielen eine Rolle, im Zentrum steht aber der technologische Umbau. Die Jusos verfolgen das gleiche Ziel, ihr Ansatz gewichtet aber soziale Gerechtigkeit genauso stark wie den technologischen Aspekt. Insofern ergänzen sich die Volksbegehren.

Staatsfonds global

Gemäss dem Vorschlag der Jusos soll nicht die breite Bevölkerung die Kosten dafür bezahlen. Zur Kasse gebeten werden sollen ausschliesslich die Superreichen. Finanzieren wollen die Jusos ihr Anliegen mit einer Nachlasssteuer für Superreiche. Erbschaften ab einem Freibetrag von fünfzig Millionen Franken würden mit einem Satz von fünfzig Prozent besteuert. Juso-Präsident Nicola Siegrist sagt: «Die aktuelle Forschung zum Thema untersucht nicht nur den extremen Überkonsum der Superreichen, sondern auch ihr Investitionsverhalten. Daran lässt sich ablesen, dass der ökologische Fussabdruck dieser sehr kleinen Gruppe noch extremer ist als bislang angenommen.» Wer sich auf Jachten vergnügt, Villen baut, Ferienhäuser besitzt und mit Privatjets reist, setzt Unmengen von CO₂ frei. Wer in ein Kohleunternehmen investiert, verantwortet noch mehr Emissionen. Es soll gemäss einer im vergangenen Jahr im Wissenschaftsverlag Nature Sustainability veröffentlichten Studie Superreiche geben, deren ökologischer Fussabdruck jährlich 1000 Tonnen CO₂ betrage, das wäre das 5000-Fache des durchschnittlichen Fussabdrucks von Ugander:innen oder Äthiopier:innen (0,2 Tonnen). «Wenn wir beim Unterschriftensammeln erklären, dass die Erbschaftssteuer die Superreichen ins Visier nimmt, unterschreiben die meisten», sagt Siegrist.

Die Fondslösung von SP und Grünen ist hingegen ein gutschweizerisches Instrument. Solche Infrastrukturfonds sind im Gegensatz zu eigentlichen Staatsfonds keine Anlagevehikel. Diese Sovereign Wealth Funds (SWF) sind weltweit verbreitet, ob in Diktaturen, autoritär regierten Ländern oder Demokratien. Selbst der ultrakapitalistische Stadtstaat und Finanzplatz Singapur betreibt einen solchen Fonds – und passt seine Infrastruktur im Übrigen in hoher Geschwindigkeit an den Klimawandel an.

Der grösste dieser Fonds ist der norwegische Government Pension Fund Global (GPFG), der Pensionsgelder und die Einnahmen aus der Gas- und Ölförderung verwaltet und anlegt – und neuerdings auch in grüne Technologien investiert. 1,3 Billionen Euro liegen derzeit im GPFG, das entspricht etwa dem Pensionskassenvermögen der Schweiz. Allerdings betragen die Verwaltungskosten in Norwegen bloss 0,05 Prozent des Fondsvermögens, in der hiesigen Pensionskassenwelt etwa 0,5 Prozent. Banken und Versicherer sahnen in der Schweiz kräftig ab.

In der Schweiz spielten Staatsfonds auch in den Anfängen des modernen Bundesstaats eine Rolle. Der erste eidgenössische Staatsfonds war im 19. Jahrhundert ein Kriegsfonds. Das war auch der Tatsache geschuldet, dass die Steuerhoheit damals ausschliesslich bei den Kantonen lag und der Bund nicht über eigene Steuermittel verfügte. Er lebte hauptsächlich von Zolleinnahmen. Das änderte sich erst am Anfang des 20. Jahrhunderts.

Als Anlagevehikel waren Staatsfonds in der Schweiz immer schon wenig bedeutend, zentral sind hingegen sogenannte Infrastrukturfonds. Der Aufbau wichtiger Infrastrukturen wäre ohne staatliche Lenkung misslungen. Der Bau des Nationalstrassennetzes kostete die Schweiz seit 1960 61 Milliarden Franken, dessen Unterhalt verschlingt aktuell pro Jahr 300 bis 400 Millionen Franken. Gespeist wird der dafür zuständige Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF) im Wesentlichen durch Steuern (Mineralölsteuer, Automobilsteuer) und Abgaben (Autobahnvignette). Die jährlichen Einnahmen: gegen 3 Milliarden Franken. Von der Grössenordnung vergleichbar ist der Bahninfrastrukturfonds. Er löste 2016 den 1998 für den Bau beziehungsweise die Finanzierung der Alpentransversale Neat an der Urne abgesegneten Bundesbeschluss über Bau und Finanzierung von Infrastrukturvorhaben des öffentlichen Verkehrs (FinöV) ab.

Die Wirtschaftshistorikerin Gisela Hürlimann forschte unter anderem zum Steuersystem und zur Bahninfrastruktur. Mittlerweile ist sie Professorin für Technik und Wirtschaftsgeschichte an der Technischen Universität Dresden, zuvor lehrte sie an der ETH Zürich. Sie sagt, die Klimafonds-Initiative von SP und Grünen lasse sich vom Ansatz her mit den bekannten Infrastrukturfonds der Schweiz vergleichen. Historisch interessant sei, dass diese Fonds in der Schweiz zu den ältesten Finanzierungsinstrumenten gehörten. «Auch die Finanzen, die die Initiative für die Dekarbonisierung der Schweiz zur Verfügung stellen möchte, bewegen sich in einem ähnlichen Rahmen wie bei den Autostrassen oder der Eisenbahn und erscheinen nicht übertrieben hoch.»

Gisela Hürlimann sagt, wie bei Nationalstrassen und Eisenbahn handle es sich um ein generationenübergreifendes Projekt. Ausserdem reihe es sich in internationale Vorstösse ein, die sich diesem Ziel verschrieben hätten. In der Schweiz gehe bei der Umsetzung solcher Fonds ein langer Aushandlungsprozess voraus – im Parlament, zwischen Bund und Kantonen, zwischen den Regionen. Und schliesslich segneten die Stimmbürger:innen es an der Urne ab – oder eben nicht. Hürlimann hat für diesen Prozess einen eigenen Begriff geprägt, sie nennt ihn «technodemokratisch».

Schuldenbremse aussetzen

Tatsächlich wird man sehen, welche Lösungen nach allfälligen Annahmen der Initiativen nach diesem Aushandlungsprozess übrig bleiben. Der Widerstand insbesondere von FDP und SVP ist programmiert. Eine Provokation ist für die bürgerliche Seite die in der Klimafonds-Initiative vorgesehene Aussetzung der Schuldenbremse für den Fonds. «Das ist unabdingbar», sagt SP-Koparteipräsident Cédric Wermuth, «sonst stossen wir rasch an Finanzierungsgrenzen und verfehlen die Ziele. Das müssen wir verhindern.» Die Transformation der nationalen Infrastrukturen sei generationenübergreifend eine gewaltige Herausforderung. «Daher wollen wir die Mittel gezielt in diese Transformation investieren, solange es nötig ist.»

Wichtig sind den Initiant:innen die soziale Abfederung des Wandels und globale Klimagerechtigkeit. Grünen-Präsident Balthasar Glättli sagt ausserdem: «Mit den Fondsmitteln soll selbstverständlich wirtschaftlich und haushälterisch umgegangen werden. Wir betrachten die Transformationsleistungen als Investment. Darum sollen auch Kreditvergaben möglich sein, die in den Fonds zurückfliessen.» Dass der Investitionsgedanke auch bei einem Infrastrukturfonds relevant ist, ist alles andere als abwegig: Der volkswirtschaftliche und ökologische Nutzen etwa der Neat übersteigt gemäss dem Bundesamt für Verkehr (BAV) die Kosten bei weitem. Allein der Beschäftigungseffekt ist beeindruckend, er beträgt laut BAV 100 000 «Mannjahre».