Film: Der Käfer im Pfirsichsystem
Goldgelb-rot schimmernd, wirken die Pfirsiche ganz appetitlich. Die wenigen überreifen Exemplare sind rasch aussortiert, während der Rest seine Fliessbandreise bis in die Verpackung fortsetzt. An der Oberfläche stimmt vieles; das langweilige, aber pittoreske Dorf in British Columbia lebt vom Anbau der Früchte, während der Erntezeit beschäftigt es viele wandernde Erntehelfer:innen.
In einer Pause entdeckt Robin (Grace Glowicki) in einem Pfirsich ein verdächtiges Loch. Als sie die Frucht aufschneidet, findet sie darin einen ekligen, «aber irgendwie auch schönen» Käfer, den sie zu ihrem Chef (Lochlyn Munro) bringt. Dieser dankt ihr und bittet sie, niemandem etwas zu sagen, wahrscheinlich sei es nichts Ernstes, und sowieso wäre niemandem wäre geholfen, wenn man die Fabrik für eine Inspektion schliessen müsste. Während er sich schon zum Golf verabredet, macht Robin schnell noch Fotos vom Käfer, die sie später einem Agrarwissenschaftler zeigt.
Etwas ist faul im Innern des Systems, und niemand mag jene, die darauf hinweisen. Der Betrieb wird stillgelegt; beim Golf äussert sich die Frau des Chefs besorgt über die armen Wanderarbeiter:innen, die jetzt gezwungen sind, eine unbezahlte Zwangspause einzulegen. Robin, die noch mit weiteren Fremdkörpern zu kämpfen hat, wird zum Paria des Dorfes. Als ihre Schwester für eine andere Arbeit die Stadt verlässt, hält die Paranoia bei ihr Einzug.
Sophie Jarvis gelingt in ihrem Debüt ein beeindruckendes Spiel mit verschiedenen, oft dissonanten Tonalitäten: im einen Moment ein präzises soziologisches Porträt, dann eine (grossartig gespielte) psychologische Charakterstudie, die alsbald zum quasi biblischen Drama wird. Nicht alle Figuren mögen so genau gezeichnet sein wie Robin und ihre Schwester, und die Handlung mag ihr Originalitätsniveau nicht ganz bis zum Ende halten: «Until Branches Bend» wirft dennoch einen scharfen und zugleich poetischen Blick unter die Oberfläche. Die Fäulnis dahinter ist eklig, aber irgendwie auch schön.