Kost und Logis: Pelati gegen die Mafia
Bettina Dyttrich würdigt den Widerstand
Landwirtschaft rentiert nicht. Es ist wichtig, daran zu erinnern, wenn wieder jemand einen Spruch über die sehr grossen Traktoren macht, die seit ein paar Wochen auf Europas Hauptplätzen herumstehen. Was hier zu sehen ist, sind vor allem Schulden. Nur auf den ersten Blick täuschen diese mächtigen Gefährte über die wirtschaftliche Ohnmacht der Branche hinweg – eingeklemmt zwischen Zuliefer- und Abnehmermultis, die hohe Profite machen.
Unter globalisierten Bedingungen rentiert Landwirtschaft nur in ganz wenigen Weltregionen: dort, wo die Böden fruchtbar und flach, das Klima gemässigt, die Löhne tief und die Gesetze lasch sind, aber man doch moderne Technik einsetzen kann. Das gilt für Teile Südamerikas (und galt vor Putins Krieg für die Ukraine und Teile Russlands). Aber dort, wo Landwirtschaft rentiert, wird es erst recht brutal. Dort schrecken Grossgrundbesitzer:innen auch nicht davor zurück, Kleinbäuer:innen zu ermorden und Staaten zu korrumpieren.
Auch ausserhalb dieser Regionen gibt es eine Möglichkeit, Landwirtschaft rentabel zu machen: unfassbare Ausbeutung. Davon handelt die Ausstellung «No Cap» in der Zürcher Citykirche am Stauffacher. Von den afrikanischen Erntehelfer:innen in Süditalien, die in Hütten aus Abfall schlafen und von der Mafia an Landwirt:innen vermittelt werden, zwölf Stunden und mehr am Tag für ein paar Euro. Der Kameruner Yvan Sagnet, der zum Studieren nach Italien kam und aus Geldnot Erntehelfer wurde, begann 2011, Proteste zu organisieren. In Milo Raus Film «Das neue Evangelium» spielt er Jesus. «Cap» meint das System des Caporalato, die «Arbeitsvermittlung» der Mafia, die fast die Hälfte des Lohns selbst einsteckt. Inzwischen organisiert sich ein Teil der Erntehelfer:innen direkt mit Biobäuer:innen, gemeinsam haben sie die Marke «No Cap» mit einer eigenen Verarbeitungsstruktur für Pelati aufgebaut.
Das gibt einem Teil der Erntehelfer:innen ein Auskommen und zeigt, dass ein anderes Wirtschaften möglich ist. Ein Grund, warum ich mich gern mit Landwirtschaft beschäftige: Alternativen lassen sich hier handfest umsetzen, und am Ende wird auch noch gutes Essen daraus. Allerdings hat der Aktivist des französischen Kollektivs Atelier Paysan recht, der sagt: «Wir sollten aufhören zu glauben, dass eine Alternative sich durchsetzt, nur weil es sie gibt. Die Agroindustrie verschwindet nicht wegen unseres leuchtenden Vorbilds, der Macht unserer Gemeinschaftsgärten» (siehe WOZ Nr. 50/22).
Das gilt für die Mafia erst recht. Tomaten von «No Cap» oder anderen Anti-Mafia-Initiativen wie «Libera Terra» zu kaufen, ist ein guter Anfang. Aber bewusste Konsument:innen allein werden das Problem nicht lösen. Die Leute von «No Cap» wissen das, darum konzentrieren sie sich nicht nur auf die Tomatenproduktion, sondern bleiben politisch aktiv. Dass sie unter so schwierigen Bedingungen so weit gekommen sind, lässt hoffen.
Die Ausstellung «No Cap» ist noch bis 27. März 2024 täglich offen: www.citykirche.ch. Die Tomaten gibt es in ausgewählten Bioläden oder bei farmy.ch.
Bettina Dyttrich ist WOZ-Redaktorin.