Wahlkampfspenden: Die Interessen der wenigen
Die Schweiz ist ein Land, das sich so mancher Selbstlüge hingibt. Eine davon lautet, dass der Einfluss des Geldes in der Politik nicht überschätzt werden dürfe. Es klingt ja durchaus verlockend: Die Demokratie als «Wettbewerb der Ideen», in dem sich die Bedürfnisse der Gesamtheit gegen die Eigeninteressen weniger am Ende immer durchsetzen.
Wie aber kommt es dann, dass das Bundesparlament regelmässig Entscheide trifft, die der Mehrheit der Menschen schaden? Wenn es, wie diese Woche, trotz gestiegener Wohnkosten die Mieter:innen gegenüber den Immobilienbesitzer:innen schlechterstellen will? Wenn es eine echte Abfederung der steigenden Krankenkassenprämien ablehnt? Wenn es die Umsetzung des an der Urne deutlich angenommenen Klimaschutzgesetzes mit neuen Autobahnprojekten torpediert?
Es gibt viele Wege, um mit Geld das politische Geschehen zu beeinflussen. Nun ist einer davon etwas besser ausgeleuchtet: Wer mit Kampagnenbudgets über 50 000 Franken um Nationalratssitze kämpft, muss Einzelspenden ab 15 000 deklarieren. Schlupflöcher gibt es nach wie vor, und der tatsächliche Effekt der neuen Transparenzregelung wird davon abhängen, wie die Eidgenössische Finanzkontrolle ihre Kontrollfunktion interpretiert. Aus den nun offengelegten Kampagnenbudgets lässt sich aber bereits Interessantes ablesen.
Etwa, dass FDP, SVP und Mitte-Partei zusammen über mehr als dreimal so viele Mittel verfügen wie SP und Grüne, nämlich rund 33 Millionen Franken. Und die bürgerlichen Kandidat:innen verfügen offensichtlich über beträchtliche Eigenmittel: Jene der FDP wenden gemäss aktuellem Stand insgesamt gegen 5, jene der SVP gegen 3, jene der Mitte-Partei über 1,7 Millionen Franken auf. Alle anderen Parteien kommen zusammen auf rund 1 Million. Allein dieses Verhältnis lässt erahnen, mit welchem Bewusstsein für die aktuellen Lebensrealitäten die Kandidat:innen in die nächste Legislatur steigen würden.
Hinzu kommen die Spenden. Obenaus schwingt die Sika-Erbin Carmita Burkard, die mit über 700 000 Franken die Grünen unterstützt. Danach folgen Milliardär Christoph Blocher, der 550 000 Franken in den SVP-Wahlkampf steckt, sowie Walter Frey, einer der grössten Autoimporteure der Schweiz, der der SVP 250 000 Franken zur Verfügung stellt. So zumindest die offiziellen Angaben. Woher genau aber die 500 000 Franken der Stiftung für bürgerliche Politik für den SVP-Wahlkampf stammen, werden wir so schnell nicht erfahren. Diese nutzt das wohl meistdiskutierte Schlupfloch der neuen Transparenzregelung: Als Stiftung braucht sie nicht offenzulegen, wer das Geld zur Verfügung stellt, das sie mit beiden Händen in den Wahlkampf wirft.
Auch andere Organisationen sind bemüht, die bürgerliche Dominanz im Parlament zu zementieren, etwa der Zürcher Hauseigentümerverband. Und durch ein Vehikel namens IG der Wirtschaftsverbände investieren Economiesuisse, Gewerbe-, Arbeitgeber- und Bauernverband je 500 000 Franken in ihre Kampagne «Perspektive Schweiz». Diese wirbt mit Slogans, die für die teuerungsgebeutelte Bevölkerung wie Drohungen klingen müssen: «Wählen Sie wirtschaftsfreundlich. Weil nur eine gesunde Wirtschaft unsere Sozialwerke garantiert.»
Die Millionensummen, die derzeit den Wahlkampf antreiben, prägen wochenlang unseren Alltag in Form von Plakaten im Stadt- und Landschaftsbild, Flyern und Parteizeitungen in den Briefkästen sowie Werbung auf Social Media. Auch wenn dabei noch einige Schlupflöcher zu stopfen sind: Mittlerweile wissen wir besser, wer all das bezahlt.
Es gibt aber weitere, schlecht ausgeleuchtete Wege, um mit Geld Einfluss auf die Politik zu nehmen. So wissen wir heute oft nicht, was Parlamentarier:innen mit ihren Nebenmandaten verdienen – und in welchen Abhängigkeiten sie dadurch stecken. Wer behauptet, das spiele im angeblichen Wettbewerb der Ideen keine entscheidende Rolle, belügt nicht nur sich selbst, sondern uns alle.
Kommentare
Kommentar von Igarulo
Do., 21.09.2023 - 10:44
's ist eben gekaufte Demokratie von rechts. Und wenn die Linken total an der Macht sind, wird's auch nicht besser. Das Gleichgewicht macht schöne politische Landschaften. Das hat in der Schweiz allerdings grosse Unwucht. Die Probleme weltweit überfordern die Politik. Auswege zum Desaster gibt es kaum.