Wichtig zu wissen: Der achte Bundesrat

Nr. 44 –

Ruedi Widmer über Thurnheer, Precht und Wagenknecht

Einst waren es die Erzählungen von Chemtrails und Flacherde, derzeit verbreitet sich die Verschwörungstheorie wie ein Lauffeuer, es gebe einen achten Bundesrat in der Schweiz. Angeblich sei dieser achte Bundesrat zuletzt Bernard Thurnheer gewesen, der aber auf Nichtanfrage verneint. Dass hier ein Sportreporter in einen solchen Quatsch hineingezogen wird, ist unerhört. Die Links-Grünen sagen: Autobahnausbau gefährdet Klimaschutz; die Bürgerlichen sagen: Klimaschutz gefährdet Autobahnausbau. Ein guteidgenössischer Kompromiss.

Die Stylistin von Stalinistin Sahra Wagenknecht hat ganze Arbeit geleistet. Rund drei Viertel des deutschen Internets können sich auf die adrett gekleidete Politikerin aus den 1950er Jahren einigen. Es ist schon erstaunlich, dass diese einst ausgestossene Frau, die am 1. Mai 2000 in Zürich eine Rede hielt, heute der Star der deutschen Mitte ist. Es gibt einen «Rundschau»-Beitrag von 2000 über sie. Das 1.-Mai-Komitee wird darin für die Einladung Wagenknechts von Heidi Rebsamen vom Gewerkschaftsbund und von Jo Lang scharf kritisiert; Joachim Gauck spricht von einer Sekte, der schon damals unvermeidliche Christoph Blocher ist noch am diplomatischsten, indem er sagt, Wagenknecht bewundere Stalin vielleicht nicht gerade, aber beschönige ihn. So wie Deutschland derzeit aus der Wäsche schaut, muss es sich zwischen dieser Saarländerin – die ähnlich wie Wednesday von der Addams Family von einem kalten Händchen begleitet wird (Oskar Lafontaine; sein aktueller Text in der «Weltwoche»: «Deutschlands natürlicher Partner heisst Russland, nicht Amerika. Wann merkt es die Bundesregierung?») – und der völkischen Einsiedlerin Dr. Weidel entscheiden.

Aber es gibt noch einen dritten Machtpol: Das «Bündnis Richard David Precht» (BRDP) möchte das deutsche Fernsehprogramm auf den Kopf stellen. Alle Sendungen dürfen nur noch von Richard David Precht moderiert werden. Nachrichten, Sport, Halligalli, Wetter, antisemitische Entschuldigungen – der grösste TV-Philosoph seit den alten Griechen kommt erwiesenermassen überall am besten draus.

Die üble Welle des Antisemitismus, die um die Welt rast und zu Gewalttaten gegen Jüd:innen führt, scheint besonders die Intellektuellen nicht zu kümmern. Noch nie war es so ruhig im sonst rauschenden Meinungswald nach einem Terroranschlag. Es wartet auch niemand mehr auf Meinungen (ausgenommen auf Prechts), denn die Meinung der Welt wird nicht mehr in Leitartikeln und deutschen Fernsehrunden gemacht, sondern pfannenfertig auf X und Telegram (vormals nicht Teletext) geliefert, und dort herrscht der blanke Hass. Der richtet sich vor allem gegen Jüdinnen und Juden. Das muss deutlich verurteilt werden.

Die Schlächter der Hamas sind bei uns offensichtlich breiter akzeptiert als der Islamische Staat (IS). Aber das hilft den Palästinenser:innen auch nichts. Der Iran und Katar sind die Hauptfinanzierer der Hamas. Na ja, Katar, hört man sagen, … es ist nicht alles schlecht daran, die köpfen ja nicht nur Homosexuelle und sperren Frauen ein, immerhin haben sie die WM gebaut!

Ausgerechnet in diese Zeit des Auseinanderlebens kommen wie alle vier Jahre nun noch Stimmen aus der SP Zürich mit dem Witz der Kantonsaufteilung. Die Zweiständelösung mit Zürich-Land und Zürich-Stadt. Das Wappen für Zürich-Land (SVP-Land) wäre wohl weiss-grün mit einer nach rechts aufsteigenden trennenden Diagonale. Das Wappen des SP-Stadtkantons wie heute nach links aufsteigend, statt blau einfach rot. Die Stadt Zürich bildet zusammen mit Winterthur und Uster einen stadtkantonalen Flickenteppich inmitten von Zürich-Ausserrhoden.

Wenn schon, dann einen Kanton Winterthur mit Weinland, Tösstal und Zürcher Unterland! Und Bernard Thurnheer wäre dann statt achter Bundesrat Winterthurer Ständerat.

Ruedi Widmer betreibt Geopolitik in Winterthur.