Auf allen Kanälen: Sahra, die Serie
Auch das noch: ZDF begleitet die ehemalige Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht in einer fünfteiligen Dokuserie.

Wenn es um Sahra Wagenknecht geht, wird gerne Medienschelte betrieben. Im Frühjahr etwa kanzelte der Ostbeauftragte der deutschen Bundesregierung die neue Partei der früheren Linkspolitikerin als «reines Medienphänomen» ab, jüngst bezeichnete ein Journalist der «Süddeutschen Zeitung» Wagenknecht selbst als «Medienprodukt», und es gibt sogar Memes, die über ihre vielen Einladungen in Talkshows spotten.
Diese Kritik hat Tradition. Schon vor über zwei Jahrzehnten klagte der DDR-Dramatiker Peter Hacks («Der Kommunismus entledigt sich nicht der Reichen, sondern der Armen»), der mit der jungen Wagenknecht zeitweise Kontakt pflegte: «Sie will immer nur ins Fernsehen.» Dort ist sie gerade in der fünfteiligen ZDF-Dokuserie «Inside Bündnis Wagenknecht» zu sehen, die wiederum nicht zu verwechseln ist mit der vierteiligen ARD-Produktion «Trotz und Treue. Das Phänomen Wagenknecht» vom Juni.
Zwei Serien in nicht einmal sechs Monaten, das kann man schon absurd finden. Aber reicht überzogenes Journalist:inneninteresse schon als Erklärung für den Erfolg der ganz auf sie zugeschnittenen Partei?
Am Schminktisch
Für «Inside Bündnis Wagenknecht» haben Andrea Maurer und Christiane Hübscher Wagenknecht ein Jahr lang begleitet: vom Bruch mit der Linken über die Gründung des «Bündnisses Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit», so der vollständige Name des BSW, erst als Verein, dann als Partei, bis hin zu den Wahlerfolgen in Europa sowie Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Das Ergebnis dieses Aufwands ist mitunter durchaus interessant, da die Serie weniger eine One-Woman-Show ist, als man erwarten könnte.
Liegt der Fokus zunächst klar auf Wagenknecht – in Folge zwei darf man ihr dabei zuschauen, wie sie sich am Schminktisch die Haare richtet –, nehmen später andere mehr Raum ein: etwa der IT-Unternehmer Ralf Suikat, der dem BSW bei der Gründung finanziell auf die Sprünge half, oder die ehemalige Eisenacher Linken-Bürgermeisterin Katja Wolf, die als BSW-Spitzenkandidatin in den Thüringer Wahlkampf zog und dabei von einem Moderator namens Steffen Quasebarth unterstützt wurde, der vom Regionalfernsehen zur neuen Partei übergelaufen war. Figuren aus der zweiten Reihe bekommen dadurch ein Gesicht.
Auch Kurioses ist zu sehen: etwa ein AfD-Lokalpolitiker, der sich – verkleidet mit einem Toupet – in die neue Partei zu schummeln versucht. Deutlich wird zudem, woher das BSW die Anschubfinanzierung hatte: Neben Suikat und vielen Kleinspender:innen ist da vor allem das Unternehmerpaar Thomas Stanger und Lotte Salingré, das Wagenknecht mit über fünf Millionen Euro sponsorte, weil es gegen Waffenlieferungen an die Ukraine ist, aber von der AfD nichts hält. Aufschlussreich sind aber vor allem die Auftritte von Wagenknechts Ehemann Oskar Lafontaine, einst SPD- und Linken-Chef. Diese Szenen führen vor, wie wichtig Ressentiments als Treibstoff der neuen Partei sind – wenn man etwa sieht, wie gehässig Lafontaine gegen die «Gendersprache» oder manche Politikerinnen vom Leder zieht.
Bruchpunkte der Debatte
Unterm Strich bleibt das alles trotzdem unbefriedigend: Auch der Blick hinter die Kulissen macht das BSW nicht wirklich greifbar. Das könnte dem unbestimmten Politikverständnis geschuldet sein, für das Wagenknecht steht – oder was meint sie genau mit der mantrahaften Forderung nach einer «anderen» Politik?
In der ZDF-Serie bleiben aber bereits die Gründe für ihren Bruch mit der Linkspartei nebulös. Eine schlagende These, die die fünf Episoden zusammenhielte, wird nirgends formuliert. Interessant sind zumindest die Überlegungen des Soziologen Steffen Mau, der als Experte zu Wort kommt: Er attestiert Wagenknecht ein Gespür für diskursive Bruchpunkte, die sich emotionalisieren lassen (Migration, Corona, Ukraine) und streicht den rückwärtsgewandten Charakter ihrer Politik heraus. Mau zufolge sei die Partei als Verkörperung einer «Entlastungsideologie gegenüber den vielen Zumutungen der Gegenwart» zu deuten. Das heisst aber auch, dass das «Medienprodukt» Wagenknecht mindestens genauso Symptom einer umfassenden Krise ist, an der das Fernsehen eher unschuldig ist.
«Inside Bündnis Wagenknecht»: Online in der ZDF-Mediathek verfügbar. Im linearen Fernsehen ist am 15. Oktober 2024 eine gekürzte Fassung der Serie zu sehen (ZDF, 20.15 Uhr).