Grossraubtiere: Wölfe regulieren – aber nicht willkürlich
«Umweltminister Rösti gibt den Wolf zum Abschuss frei»: So und ähnlich titelten viele Medien, nachdem der Bundesrat letzte Woche die Verordnung zu einem Teil des revidierten Jagdgesetzes vorgestellt hatte. Solche Sätze schreiben dem SVP-Bundesrat gar viel Macht zu: Nicht Albert Rösti, sondern das Parlament hat in der Wintersession 2022 entschieden, dass künftig auch präventive Wolfsabschüsse möglich sind. Die grossen Umweltorganisationen kritisierten den Beschluss, verzichteten aber auf ein Referendum. Einige kleine Organisationen ergriffen es trotzdem, brachten aber die nötigen Unterschriften nicht zusammen.
Vor elf Jahren gründete ein Wolfspaar bei Chur das erste Rudel seit der Ausrottung. Vor einem Jahr lebten in der Schweiz über zwanzig Rudel, heute sind es schon über dreissig, total etwa 300 Wölfe: die bekannte steile Kurve, wenn sich Lebewesen (fast) ungebremst vermehren. Zwischen 2019 und 2022 hat sich die Zahl der gerissenen Nutztiere verdreifacht. Die meisten Fachleute sind sich einig, dass es eine Wolfsregulierung braucht, wenn die Arbeit auf den Alpen zumutbar bleiben soll – nicht statt, sondern als Ergänzung zum Herdenschutz.
Doch ein wichtiges Element der neuen Verordnung trägt klar Röstis Handschrift – und wird für neue Konflikte sorgen: Die Vorlage legt die Untergrenze für den Schweizer Wolfsbestand bei zwölf Rudeln fest, obwohl eine internationale Studie betont, dass es mindestens siebzehn brauche, um die Population zu sichern (siehe WOZ Nr. 3/23). Der willkürliche Zielwert ist nicht nur aus Sicht des Artenschutzes fragwürdig. Damit macht Rösti der Bergbevölkerung auch falsche Hoffnungen: Wölfe zu erlegen, ist anspruchsvoll. Es wird schon eine Herausforderung, den Bestand zu stabilisieren.
Entscheidend wird sein, dass die Kantone die Wolfsregulierung sorgfältig und fachlich abgestützt angehen. Leider zeigt ein Dokument aus dem Kanton Wallis, dass das nicht überall zu erwarten ist: Dort können Jäger:innen ankreuzen, auf welches Rudel sie Lust hätten. Das sieht nicht nach verantwortungsvoller Jagdplanung aus.