Zürcher Ständeratswahlen: Ein Biedermann als Brandstifter

Nr. 45 –

Nächste Woche wählt Zürich seine zweite Vertretung im Ständerat. SVP und FDP preisen Gregor Rutz als «bürgerliche Stimme». Seine Laufbahn erzählt etwas anderes.

Gregor Rutz an einer Delegiertenversammlung der SVP
Das Schweigen des Leutseligen: Gregor Rutz – hier an einer Delegiertenversammlung der SVP – spricht derzeit nicht gerne mit den Medien.   Foto: Urs Flüeler, Keystone

Alle mögen Gregor. Wer sich bei Partei- und Kommissionskolleg:innen über Gregor Rutz erkundigt, bekommt stets das Gleiche zu hören. Anständig im Umgang sei der, freundlich, nie laut, umgänglich. Kein Stammtischpolteri, einer, zu dem ein Glas Wein besser passe als die Flasche Bier. Aber auch einer, der nie von der Parteilinie abweiche. In der Sache ein Hardliner. Rutz selbst sagt über Rutz: «Es ist ja auch gut, wenn klar ist, für was ich stehe.»

Doch wofür steht der unscheinbar wirkende Rutz tatsächlich, der nun im zweiten Wahlgang der Zürcher Ständeratswahlen für die SVP gegen GLP-Nationalrätin Tiana Angelina Moser antritt? Der von den Wirtschaftsverbänden ins Rennen geschickt wurde und auch von der FDP als «bürgerliche Stimme» für den Kanton verkauft wird? Rutz’ bisherige Laufbahn zeigt: Er hat den Aufstieg der SVP zur wählerstärksten Partei wesentlich mitgeprägt. Und dabei ihre schlimmsten Hetzkampagnen mitverantwortet.

Der Anti-Antirassist

Die Karriere von Gregor Rutz beginnt Mitte der neunziger Jahre. Der Bundesrat entscheidet damals, der Antirassismuskonvention der Uno beitreten zu wollen. Dafür muss die Schweiz eine Strafnorm einführen, die öffentliche rassistische Äusserungen unter Strafe stellt.

Die Schweiz ist damals mit der Umsetzung reichlich verspätet. Österreich, Frankreich, Deutschland und Italien hatten bereits zwanzig Jahre zuvor entsprechende Gesetze erlassen. In der Schweiz melden einzig einige rechtsextreme Gruppierungen und die Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns) Widerstand gegen das Gesetz an. Ihre Unterschriften reichen zwar für ein Referendum, Unterstützung einer etablierten Partei erhalten sie aber keine. Selbst die SVP ringt sich zu einem Ja für den Beitritt durch. «Das Referendum ist in einer Ecke entstanden, zu der keiner gehören will», sagt die damalige Generalsekretärin Myrtha Welti.

Kein Problem mit dieser Schmuddelecke hatte der damalige Präsident der Jungliberalen des Bezirks Meilen: Gregor Rutz. Er gibt den Anstoss zu einem Komitee, in dem Jungpolitiker:innen aus SVP, FDP und CVP ihre Abneigung gegen die Strafbarkeit von Rassismus bündeln. Als Kopräsident dieses Komitees darf Rutz auf Einladung der SVP an der Albisgüetli-Tagung eine Rede halten. Doch die Bemühungen bleiben erfolglos, die Stimmberechtigten nehmen das Antirassismusgesetz mit 55 Prozent an. Rutz zieht sich aus der Politik zurück, konzentriert sich auf sein Jusstudium, arbeitet als Barpianist. Bis ihn die SVP zurückholt – und Rutz fortan als Generalsekretär die Klänge aus dem Hintergrund für die Partei liefert.

Es ist die Hochphase der SVP. Christoph Blocher wird in den Bundesrat gewählt (und wieder abgewählt). Gemeinsam mit Ueli Maurer als Parteipräsident trimmt Rutz die Partei auf einen rigorosen Rechtskurs. Die Minarettinitiative und auch die Ausschaffungsinitiative werden lanciert – beworben mit einem schwarzen Schaf, das offen Ausländer:innen diskriminiert. Nach sieben Jahren als Generalsekretär, in denen sich die Partei von 22,5 Prozent Wähler:innenanteil auf 28,9 Prozent gesteigert hat, gibt Rutz sein Amt ab. Und tritt in den Vordergrund: 2011 wird er Nationalrat.

Dort führt er bis heute seinen Kampf gegen alles fort, was ihm fremd erscheint. Als die Stadt Zürich beschliesst, eine City Card einzuführen, mit der sich auch Menschen ohne staatliche Papiere ausweisen können, fragt Rutz den Bundesrat, ob er nicht beim Zürcher Stadtrat dagegen vorstellig werden könne. In einem anderen Postulat wollte er vor einem Jahr vom Bundesrat wissen, ob dieser bereits Aufnahmelager für Geflüchtete ausserhalb der Landesgrenzen plane.

Auf diesen Fokus angesprochen, sagt Rutz lapidar: «Die Migration ist die Mitursache für viele Probleme, die wir haben.» Ginge es nach ihm, würde die Migration gesteuert und besser auf die Bedürfnisse der Wirtschaft ausgerichtet. Mit der Entrechtung der Migrant:innen als logischer Folge: Rutz befürwortet auch alle Initiativen der Partei zur Aufkündigung der Personenfreizügigkeit, sitzt aktuell auch im Komitee der sogenannten Nachhaltigkeitsinitiative.

Auf Tauchstation

Ein weiteres Lieblingsthema von Rutz ist die SRG. Bereits in den neunziger Jahren wird er Mitglied im SRG-feindlichen Hofer-Club. Als Vorstandsmitglied der «Aktion Medienfreiheit» versucht er bereits bei der Umsetzung der No-Billag-Initiative, die Gebühren für Radio und Fernsehen auf 200 Franken zu senken. Er unterstützt das Referendum gegen eine Medienförderung – und ist heute Kopräsident der Halbierungsinitiative gegen die SRG.

Selbst tritt Rutz gerade ungern in den Medien auf. Seine Kandidatur hat in der FDP für Wirbel gesorgt. Die Frauen der Partei wollten sich nicht hinter Rutz stellen, beschlossen Stimmfreigabe. Rutz äussert sich dazu nicht. Für die WOZ hat er erst nach mehrmaligen Nachfragen Zeit für einen abendlichen Anruf während einer Autofahrt. Eine Anfrage des Onlinemagazins «Tsüri» für ein Interview beantwortete Rutz gar nicht. Auch das SRF musste um einen Interviewtermin mit Rutz ringen. Für ein Gespräch der beiden Kandidat:innen im «Tages-Anzeiger» will er auch erst eine Woche vor den Wahlen Zeit haben. Der Umgängliche scheint momentan vor allem eines zu wollen: die Öffentlichkeit umgehen.