Auf allen Kanälen: Kühne Strategien

Nr. 46 –

Ein weiterer Abbau bei CH Media und die Sparpläne des Bundesrats für die SRG werden gleichentags bekannt. Die Nachrichten verbindet noch mehr.

stilisiertes Logo der CH Media

Nachrichten über den Abbau in der Medienbranche gleichen einem nervigen Ohrwurm. Kaum ist Ruhe eingekehrt, holt einen das alte Lied wieder ein. Angriff auf die SRG, Sparrunde in Redaktion XY, Abbau, Abbau. Schöne Ironie, dass Michael Wanner, seit April dieses Jahres CEO von CH Media, sagte, man wolle mit der aktuellen Kürzung von 150 Vollzeitstellen in der Deutschschweiz einem «Abbau auf Raten» zuvorkommen. Ja, was erleben wir denn eigentlich sonst seit gut zwanzig Jahren?

CH Media, das zweitgrösste private Medienunternehmen der Schweiz, hat vergangene Woche angekündigt, «die Kostenstruktur zu senken». 150 Vollzeitstellen sollen im ersten Quartal 2024 über alle Bereiche der Deutschschweiz gestrichen werden, davon etwa 90 durch Kündigungen. Ein weiterer, harter Schlag für den Journalismus, nachdem vor wenigen Wochen bereits die TX Group verkündet hatte, Dutzende Mitarbeiter:innen zu entlassen.

Mehr Unterhaltung

Damals wurde noch Widerstand auf der Strasse laut, in Lausanne gingen fast 200 Leute gegen den Stellenabbau auf die Strasse, vor dem Hauptsitz in Zürich rollten Journalist:innen ein Transparent aus. Nach der Ankündigung von CH Media von letzter Woche forderten die Gewerkschaft Syndicom und der Berufsverband Impressum den Konzern nur noch müde auf, auf die Entlassungen zu verzichten. Diese müssten, so Impressum, Ultima Ratio bleiben. Ultima Ratio ist halt leider trotzdem Ratio: In einem Interview mit dem Branchenmagazin «Persönlich» erklärte Wanner, fünfte Generation im Aargauer Familienunternehmen, die Entscheidung mit dem Verlust von 6,9 Millionen Franken im ersten Halbjahr. Ein Personalabbau sei zwar Ultima Ratio, letztlich aber unumgänglich gewesen.

CH Media hat in den letzten Jahren in den Unterhaltungsbereich investiert: 2019 kaufte der Medienkonzern die 3+-Gruppe, dazu kamen lokale Radiostationen und die vollständige Integration von «Watson» in den Konzern. Gerade bei den privaten Radio- und Fernsehstationen aber sind die Werbeeinnahmen weggebrochen, das Geld fliesst zu internationalen Techkonzernen, CH Media ist hier wie alle anderen vom Strukturwandel in der Medienbranche betroffen. Wanner hielt im Interview an der kühnen Strategie von CH Media fest; die Investitionen hätten das Portfolio «ideal ergänzt» und würden CH Media «mit weiteren organischen Wachstumsinitiativen» helfen. Wachstum, lernen wir wieder einmal, ist nach wie vor die Prämisse – nur nicht beim Personal.

Zeitpunkt stimmt

Gleichentags verkündete Medienminister Albert Rösti, dass der Bundesrat die Serafe-Gebühr von 335 auf 300 Franken senken und 60 000 Unternehmen zusätzlich von der Abgabe befreien will. Bei der SRG sei mit einer Streichung von Hunderten Stellen zu rechnen. Ein Abbau auf dem Verordnungsweg – der weitere Abbauversuche nicht verhindern wird; die Initiant:innen der «Halbierungsinitiative» haben bereits erklärt, an ihrem Begehren festzuhalten. In einem Interview mit der «NZZ am Sonntag» sagte Rösti, er habe nicht gewusst, dass CH Media gleichentags einen grossen Stellenabbau ankündige. Die Initiative zur Reduktion der Gebühren sei auf dem Tisch, der Bundesrat müsse entsprechend reagieren. Entsprechend heisst auch: im Sinn der Privaten. Man müsse schon auch sehen, sagte der Medienminister, «gerade in Zeiten, in denen die privaten Medien unter Druck sind, dürfen diese erwarten, dass sich die SRG auf den Service public beschränkt und ihre Aktivitäten dort reduziert, wo sie die Privaten konkurrenziert». Rösti, wieder mit Blick auf die gleichentags verkündete Botschaft aus dem Hause CH Media: «So gesehen stimmt der Zeitpunkt vielleicht doch.»

Es sind aufschlussreiche Aussagen des Medienministers. Nur: Abbau plus Abbau gibt Abbau. Betroffen von den Kürzungen sind nicht nur das Personal, nicht nur die Leser:innen; die Kahlschläge in den Redaktionen, die Angriffe auf die SRG schaden auch der Demokratie: Gerade auf lokaler und regionaler Ebene sind CH Media und die SRG bedeutend. Wird der Journalismus da reduziert, wird sich das auf die demokratische Teilhabe und das Vertrauen in die Institutionen auswirken. Denn beides hängt nachweislich zusammen. Bleibt nur, weiter dafür zu kämpfen, dass endlich eine andere Platte aufgelegt wird.