Film: Fürsorgliches Schweigen

Nr. 46 –

Filmstill aus «The Quiet Girl»
«The Quiet Girl». Regie: Colm Bairéad. Irland 2022. Jetzt im Kino.

Es gebe Geheimnisse, die auf schambehaftete Ereignisse verwiesen, und solche, die eher «funktionieren wie ein altes geheimes Familienrezept». So die Quintessenz eines Dialogs, in dem eine Mutter (Carrie Crowley) die Neugier eines Mädchens namens Cáit (Catherine Clinch) beruhigen will, das nicht ihre Tochter ist. Die Sorte von Geheimnis, die «The Quiet Girl» zu einem unscheinbar besonderen Film macht, ist dezidiert von der zweiten Art.

Zusammengefasst und auf ihre auffälligsten Momente und Wendungen reduziert, würde sich eine Beschreibung der Handlung wie relativ belangloser Coming-of-Age-Kitsch anhören, weshalb das hier bloss mit Zurückhaltung geschehen soll. Zurückhaltung ist auch die grösste Stärke des Erstlings des Iren Colm Bairéad, der vom stillen Mädchen Cáit erzählt, das 1981 von seiner nicht besonders liebevollen Familie in den Süden des Landes zu entfernten Verwandten geschickt wird, von denen es etwas mehr Zuneigung erfährt. Wenn hier gesprochen wird, dann hauptsächlich auf Irisch-Gälisch; aber wie Cáits Ersatzvater Seán (Andrew Bennett) einmal treffend sagt: «Manch einer hat schon die Chance verpasst, nichts zu sagen, und dadurch viel verloren.»

«The Quiet Girl» lebt von den Zwischentönen, die sich in diesem fürsorglichen Schweigen auftun, von den Räumen, in denen sich nicht nur Cáit entspannen und entfalten kann. Auch die Zuschauer:innen sind freundlich eingeladen, die Figuren und Landschaften kennenzulernen, ohne gleich mit konstruiertem Drama überschüttet zu werden. Handlung und Figurenverhältnisse (hier in etwa gleichbedeutend) entwickeln sich wie nebenbei und lassen Raum, sich in den warmen Bildern im 4 : 3-Format zu verlieren, sich auf die Melodien des Gälischen zu konzentrieren. Und allen schüchternen Kindern Familien und Umfelder zu wünschen, die sie in ihrem eigenen Tempo heranwachsen und die Welt entdecken lassen.