Kinderbetreuung: Zeitspiel im Ständerat

Nr. 47 –

Die Probleme sind gravierend und akut. In keinem anderen OECD-Land sind die Kosten der externen Kinderbetreuung für Familien derart hoch wie in der Schweiz. Ein Vollzeitkitaplatz kostet Eltern durchschnittlich 26 Prozent ihres Einkommens. Zum Vergleich: In Deutschland ist es 1 Prozent, in Österreich sind es 2. Hinzu kommen prekäre Arbeitsbedingungen in den Kitas und ein zunehmender Fachkräftemangel. Die Löhne der Betreuer:innen sind tief, und rund die Hälfte aller Kitaangestellten hat keine abgeschlossene Ausbildung. Das hat Auswirkungen auf die Betreuungsqualität: Gemäss einer Unicef-Studie kommen in der Schweiz auf eine ausgebildete Betreuungsperson achtzehn Kinder, in Island sind es fünf.

Die Bilanz der bisher weitgehend privatwirtschaftlich organisierten Kinderbetreuung fällt desaströs aus. Diese Erkenntnis ist mit grosser Verzögerung auch in der Bundespolitik angekommen: Der Nationalrat sprach sich im Frühjahr für Investitionen von über 700 Millionen Schweizer Franken aus und hiess eine parlamentarische Initiative gut, die verlangt, dass der Bund bis zu zwanzig Prozent der durchschnittlichen Kosten eines Betreuungsplatzes übernimmt. Ein Fortschritt, endlich.

Erwirkt wurde er auch mit dem Druck der Strasse. Eine zentrale Forderung des feministischen Streiks, der 2019 und 2023 jeweils Hunderttausende auf die Strasse brachte, war die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben.

Doch nun stellt sich die zuständige Ständeratskommission quer. Statt das Geschäft voranzutreiben, spielt sie auf Zeit. Sie will ein alternatives Finanzierungsmodell in die Vernehmlassung schicken, wie die Kommission diese Woche bekannt gab. Das Manöver trägt die Handschrift rechtsbürgerlicher Kreise um Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP), die Familien- und Sozialpolitik vor allem als lästigen Ausgabenposten betrachten und dem Markt überlassen wollen. Dass dieser dysfunktional ist und eine grosse Belastung für Familien und Betreuer:innen bewirkt, ist den Familienfeind:innen egal.