Wichtig zu wissen: Der Weg Nokias

Nr. 48 –

Ruedi Widmer über das Kapital, das Kalifat und die Habsburger

Die SP geht mit zwei Männern ins Bundesratsrennen, Jans und Jon. Jositsch ist also wenigstens mit seinem Initial dabei. Klar, Johann (Schneider-Ammann) war auch ein J, es gab viele Johanns und Josefs, Jeans und Josephs im Bundesrat. Aber einen Bundesrat mit J als Nachnamen hat es noch gar nie gegeben. Es ist also Zeit, dass das J endlich mal berücksichtigt wird. Das J ist vielleicht nicht gerade ein starker Buchstabe mit grosser Wichtigkeit wie B (Baume-Schneider, Berset, Burkhalter, Blocher) oder K (Keller, Koller, Kopp), aber es ist wichtig, dass auch die Randbuchstaben mal im Bundesrat vertreten sind.

Ausgerechnet die SP-Bundesrätin aus dem «J-Kanton», Elisabeth Baume-Schneider, muss nun dem Volk in der bürgerlichen Sonntagspresse den Kapitalismus erklären, der ja so geht, dass er permanent sinnfrei wachsen muss («Black Friday»), damit er nicht zusammenbricht («schwarzer Freitag»), und deshalb gibt es auch Zuwanderung in die Schweiz, was aber die kommentierenden SVP- und Kapitalismusfans nicht verstehen und sie deswegen als «Sozialistin» beschimpfen.

Während in Argentinien der Anarchokapitalismus ausgebrochen ist, verharrt Deutschland, Wirtschaftsmotor der EU, im Schnarchokapitalismus. Kürzlich fragte sich der «Economist», was, wenn die deutsche Wirtschaft, die vor allem die Autoindustrie, besonders VW, ist, den «Weg Nokias» geht? Ältere Semester erinnern sich, dass alle vor zwanzig Jahren Nokia-Handys hatten. Der finnische Hersteller war damals Weltmarktleader, hat dann aber das Smartphone verpasst und ging vergessen. Wenn also der kriselnde VW verschwände, verschwände auch Deutschland? Also in Form der Bundesrepublik? Wie wir wissen, ist die Ampelregierung am Ende; der nur noch viertelbeliebte Robert Habeck (wieder besser dank seiner Rede gegen Antisemitismus) ist quasi auch noch Kanzlerersatz für den unbeliebten Schröder, nein Scholz, egal. Was also wird aus Deutschland, in Zeiten von Meloni, Orbán und Wilders? Und Milei? Und Trump? Und Le Pen? Und dem lachenden Dritten, Putin?

AfD-Weidel wird immer beliebter; Höcke ist inzwischen auch kein Tabu mehr. Was bedeutet das für die Schweiz?

Bedingungslose Neutralität! Oligarchen- und Diktatorengelder her! Schliesslich darf die UBS nicht hopsgehen, sonst geht die Schweiz hops. Die UBS ist der VW der Schweiz. Wer hätte sich so was 2013 vorstellen können.

2013, das war die Zeit, als man noch den Islamismus als die grösste Bedrohung empfand. Doch seit dem Terrorangriff gegen Israel erreichen auch die Kalifatsforderungen die Mitte der Gesellschaft, was man daran sieht, dass die nach 2001 geborenen Tiktoker:innen dieser Tage Usama Bin Laden kennenlernen und ihn für eine Art Nostradamus halten, für einen bärtigen Propheten aus dem Mittelalter oder aus «Herr der Ringe», und seine Reden millionenfach teilen. Nun rücken die Parallelgesellschaften zusammen. Es gibt nur noch wenig dazwischen (Gerhard Pfister).

Viele junge Tiktoker:innen lernten am Wochenende auch Thomas Gottschalk kennen, einen Engel mit lockigem Haar, der wahrscheinlich noch aus der Bibel ist.

Eine Facebook-Werbung für eine ORF-Sendung liess mich aufhorchen: «Lange bevor Habsburg das europäische Herrschergeschlecht wurde, trug eine Burg in Vorderösterreich, der heutigen Schweiz, diesen Namen. Dort residierten die später so genannten Habsburger.» Ich wusste zwar, dass die Habsburger im Aargau entstanden sind, aber nicht, dass man der Schweiz so mir nichts, dir nichts Vorderösterreich sagte, und ich hoffe nicht, dass der nächste Wahnsinnige in der Wiener Hofburg (das kann durchaus Heinz-Christian Strache sein) auf die Idee kommt, die Schweiz zusammen mit Viktor Orbán und Roger Köppel mit einer speziellen Militäroperation zum österreichisch-ungarischen Glück zu zwingen.

Ruedi Widmer war als Schlumpf schon im Bundesrat vertreten.

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Kommentare

Kommentar von Philipp Horn

Fr., 01.12.2023 - 16:10

Unschöne Aussichten