Auf allen Kanälen: Zurück zum Anfang
Die «Berner Kulturagenda» liegt ab diesem Jahr wieder der «Berner Zeitung» und dem «Bund» bei. Das wirft einmal mehr die Frage auf: Wer finanziert Kulturberichterstattung?
«Spoileralert: Es geht weiter». Unter diesem Titel ist Ende Dezember die letzte «Berner Kulturagenda» (BKA) von 2023 erschienen. Dass es weitergeht, ist nicht selbstverständlich: Das Ausgehmagazin, das die letzten siebzehn Jahre jede Woche mit dem amtlichen «Anzeiger» in alle Berner Haushalte schneite, ist seit seiner Gründung 2005 umstritten. Die BKA kämpfte mit Geld- und Personalmangel wie auch mit ihrer komplizierten Herausgeberstruktur und wurde auch schon totgesagt.
Reaktion auf den Sparkurs
Gegründet wurde das Heft als Reaktion auf Sparmassnahmen der damaligen Espace Media bei ihren Berner Tageszeitungen: Als «Bund» und «Berner Zeitung» (BZ) aus wirtschaftlichen Gründen ihre gemeinsame Kulturbeilage «Ansager» strichen, weibelte der damalige Berner Kultursekretär Christoph Reichenau für ein neues Kulturmagazin auf dem Platz Bern. Er gründete den Verein Berner Kulturagenda, der sich aus Kulturveranstaltern zusammensetzt. Die Mitglieder leisten einen jährlichen Beitrag, der je nach ihrer Grösse variiert; die BKA sorgt mit redaktionellen Beiträgen und einer Kulturagenda für deren Sichtbarkeit. Daneben finanziert sich die BKA über Inserate, Gönner:innen, Stiftungen und die öffentliche Hand. Die ersten zwei Jahre wurde das Heft alle zwei Wochen dem «Bund» und der BZ beigelegt, blieb aber redaktionell unabhängig von den beiden Tageszeitungen, dann wechselte es als Wochenbeilage zum «Anzeiger».
Kurz nach der Gründung der BKA meldete sich Christian Pauli, damals Koleiter der Dampfzentrale, in einem Artikel im «Bund»: Er störe sich grundsätzlich daran, dass Veranstalter selber ein Ausgehmagazin finanzieren müssten. Er sprach damit ein Problem des Konstrukts wie auch der Kulturberichterstattung ganz allgemein an: Wer berichtet über Kultur, wenn die Medien ihre Kulturteile reduzieren? Wer zahlt, wenn Inserate wegfallen und Leser:innen Inhalte gratis haben wollen? Und ist es tatsächlich die Aufgabe der Veranstaltenden, die Berichterstattung über sie zu finanzieren?
Seit 2021 leitet Susanne Leuenberger die BKA-Redaktion. Mit drei weiteren Redaktorinnen (inklusive Praktikantin) teilt sie sich 290 Stellenprozente. Zurzeit herrscht Hochbetrieb auf der Redaktion: Als klar wurde, dass der «Anzeiger» auf Ende 2023 eingestellt würde, entschieden sich die rund 260 Vereinsmitglieder, die Onlinepräsenz der BKA auszubauen. Zugleich aber wollten sie an der kostspieligen Printausgabe festhalten. Bei der Suche nach einem neuen Trägermedium wurden sie bei «Bund» und BZ fündig.
Künftig wieder als Tabloid
Die erste neue Kulturagenda erscheint am 18. Januar, wie früher wieder im Tabloidformat. Das Magazin ermögliche eine grössere Vielfalt von journalistischen Formaten, freut sich Leuenberger: «Das macht die ‹Kulturagenda› sowohl für uns Macherinnen wie auch für die Leser:innen interessanter.» Die BKA-Redaktion bleibt unabhängig von «Bund» und BZ: «Natürlich kann es dann sein, dass wir gleichzeitig über dieselbe Veranstaltung berichten», so Leuenberger – aber genau das sei die publizistische Vielfalt, die es in der Kulturberichterstattung unbedingt brauche. «Ausserdem schreiben wir auch über kleine Häuser, die bei ‹Bund› und BZ gar nicht vorkommen.»
Simon Bärtschi, Chefredaktor der beiden Zeitungen, die heute zu Tamedia gehören, verweist darauf, dass BZ und «Bund» weiterhin ein «starkes Kultur- und Gesellschaftsressort» hätten, mit grosser Leser:innenschaft und klar digitaler Ausrichtung: «Die Priorität liegt bei der Berichterstattung über die Kulturszene sowie dem Blick auf die gesellschaftlichen Entwicklungen in unserem Verbreitungsgebiet.» Die BKA sei eine Beilage im Print: «Sie erweitert das Angebot für das kulturinteressierte Publikum, ersetzt aber nicht die redaktionelle Reichhaltigkeit.»
Tatsächlich verfügen BZ und «Bund» über hervorragende Kulturredaktor:innen. Doch die beschworene Reichhaltigkeit wird seit Jahren zusammengespart, so auch durch die Zusammenlegung der Redaktionen 2021. Dass die von Veranstaltern und öffentlicher Hand subventionierte BKA nun wieder den beiden Tageszeitungen beigelegt wird, darf für Tamedia kein Vorwand sein für neue Sparrunden bei den eigenen Kulturressorts in Bern.
Transparenzhinweis: Die Autorin arbeitete von Ende 2005 bis Anfang 2007 als Redaktorin bei der «Berner Kulturagenda».