Ingrid Strobl (1952–2024): «Der Wecker, der Knast und ich»

Nr. 6 –

1986 kaufte die damals 34-jährige Ingrid Strobl einen Wecker – für einen Bekannten, der sie darum gebeten habe, wie sie damals erklärte. Dieser Wecker wurde als Zeitzünder bei einem Sprengstoffanschlag der Revolutionären Zellen (RZ) auf ein Verwaltungsgebäude des Lufthansa-Konzerns verwendet; es entstand Sachschaden. Mit dem Anschlag protestierten die RZ, die von den siebziger bis in die neunziger Jahre hinein in der Bundesrepublik Deutschland aktiv waren, gegen die Abschiebung von Asylsuchenden sowie die Praxis des Sextourismus, die durch Lufthansa-Flüge ermöglicht würden.

Ein Jahr später wurde die Journalistin und Autorin Strobl in ihrer Kölner Wohnung festgenommen und wegen «Unterstützung einer terroristischen Vereinigung» angeklagt. Sie weigerte sich, den Namen des Bekannten zu nennen, und blieb in Untersuchungshaft. Dort beendete sie ihr Buch über den Widerstand von Frauen im von NS-Deutschland besetzten Europa. In «Sag nie, du gehst den letzten Weg» trug sie viele Lebensgeschichten von Partisaninnen, Jüdinnen und Kommunistinnen im militanten Widerstand zusammen. 1989 zu fünf Jahren Haft verurteilt, blieb Strobl bis zum Mai 1990 in Isolationshaft. Nachdem der Bundesgerichtshof das Urteil zunächst aufgehoben hatte, wurde sie in der Revisionsverhandlung 1990 wegen Beihilfe zu einem Sprengstoffanschlag zu drei Jahren Haft verurteilt.

1952 in Innsbruck geboren, hatte Strobl ihr Studium der Germanistik und der Kunstgeschichte in Innsbruck und Wien absolviert. Aktiv in der Frauenbewegung arbeitete sie zunächst beim ORF, entschied sich jedoch bereits 1979 für einen Wechsel nach Köln. Dort war sie sieben Jahre lang bei der feministischen Zeitschrift «Emma» als Redaktorin tätig.

Erst dreissig Jahre nach ihrer Verurteilung gestand Strobl in ihrem Buch «Vermessene Zeit. Der Wecker, der Knast und ich», dass sie gewusst hatte, wofür der Wecker bestimmt war. Die Erzählungen der Gefangenen wie auch der Schliesserinnen im Gefängnis machen das Buch anschaulich. In weiteren Büchern, Artikeln und Radiobeiträgen beschäftigte sie sich in den folgenden Jahren mit Geschichten von Frauen. Der Antisemitismus in der radikalen Linken – und auch ihr eigener – war ein zentrales Thema ihres Schaffens. Ingrid Strobls Reflexionen fehlen nun. Im Alter von 72 Jahren ist sie in Köln gestorben.