Leser:innenbriefe

Nr. 7 –

Tentett?

«Jazz: Hier, nur hier, genau jetzt», WOZ Nr. 3/24

Lucia Cadotsch spielt (singt?) im Tentett mit Liun & The Science Fiction Orchestra, und in mir erwachen Erinnerungen an die WOZ-Jazzkritik der achtziger Jahre mit den Urgesteinen Fredi Bosshard und Patrik Landolt. Diese schrieben auch immer von Tentetten, obwohl die Vokabelreihe ja klar ist: Quartett, Quintett, Sextett, Septett, Oktett, Nonett, Dezett. Müssen die armen Jazzer:innen im Zelt (tent) übernachten, weil sie kein Hotel zahlen können? Tentakel (von tentare) haben die (guten) Musiker:innen zweifellos, zumindest auditive, mit denen sie einander spüren. Spielen sie extra nie zu neunt oder zu elft, damit sie die Tradition dieses lustigen Wortes pflegen dürfen?

Urs Egli, Zürich

Soziale Aspekte mitbehandeln

«Psychiatrie: Am Rande des Zusammenbruchs», WOZ Nr. 6/24

Gern möchte ich zum Artikel folgende Ergänzungen machen: Es ist beachtenswert, dass die Universitären Psychiatrischen Dienste Bern (UPD) neben den wichtigen Angeboten des Freizeitzentrums Metro unter anderem auch die Stellen des Sozialdienstes massiv kürzt. Dabei wird leider im Artikel das Wording der UPD und der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion des Kantons Bern (GSI), mit dem die Sozialarbeit als «ergänzendes Angebot» bezeichnet wird, unhinterfragt übernommen.

Heutzutage gilt fachlich das bio-psycho-soziale Verständnis von Krankheit und Gesundheit meist als etabliert (siehe etwa bei der WHO). In einer Behandlung von psychischer Krankheit gehört demnach die Bearbeitung des Sozialen gleichberechtigt neben den medizinisch-psychologischen Aspekten ins Zentrum, also nicht nur «ergänzend». Sozialarbeiter:innen in der Psychiatrie haben die wichtige Aufgabe, soziale Aspekte (Ressourcen und erschwerende Aspekte in der Lebenssituation von Patient:innen) in einer sozialen Diagnostik mit den Klient:innen zusammen zu erheben. Sie sind mit Blick auf die Entlassung aus der Klinik zuständig, den meist schwierigen Übergang in den ambulanten Alltag mit den Klient:innen vorzubereiten. So wird etwa eine angemessene Wohnsituation gesucht oder eine bestehende zu erhalten gesucht, die ambulante Behandlung organisiert und koordiniert, deren Finanzierung geklärt, es werden wichtige Absprachen mit den Angehörigen und Arbeitgebenden getroffen, sozialversicherungsrechtliche Aspekte geklärt und anderes mehr.

Leider ist der Begriff der Drehtürpsychiatrie schon so alt, und doch scheinen die Errungenschaften der Sozialpsychiatrie (schon seit mehreren Jahren) wieder verloren zu gehen. Die für die Finanzierung von Gesundheitskosten zuständigen Stellen ignorieren standhaft, dass zu einer nachhaltigen psychiatrischen Behandlung die sozialen Aspekte mitbehandelt werden müssen, sonst kommt es zum Drehtüreffekt, der letztlich mehr Kosten verursacht! Diese Kosten der Ineffizienz «verschwinden» sozusagen «unsichtbar», aber im Portemonnaie spürbar, in den stetig steigenden Kosten für Krankenkassenprämien.

Die lapidare Antwort der GSI unter politischer Führung von Herrn Schnegg spricht von einer derartigen Ignoranz der schwierigen und komplexen Lebenssituation von Menschen in psychiatrischer Behandlung, dass ich dies als unverantwortlich empfinde. Herr Schnegg sollte seine Aufgabe wahrnehmen und für die Finanzierung einer angemessenen Sozialarbeit in der Psychiatrie eine Lösung suchen.

Heike Güdel, Sozialarbeiterin in einem öffentlichen Sozialdienst im Kanton Bern und Lehrbeauftragte an einer Schweizer Fachhochschule für Soziale Arbeit, per E-Mail

AHV statt Armeefinanzen

«Armeefinanzen: Helm ohne Kopf», WOZ Nr. 6/24

Eigentlich hätte ich heute auf der WOZ-Front einen Motivationsartikel für den Schlussspurt für den möglichen historischen Erfolg der 13. AHV-Rente am 3. März erwartet (und nicht nur zwei bezahlte Inserate). Stattdessen ein Frontaufmacher und eine ganze Seite über die altbekannten Armeefinanzgeschichten, bei denen sich übrigens Bundesrätin Viola Amherd zum Ärger der Armeespitze nicht für die Aufstockung starkmachte.

Diese alte Geschichte wird hier erst noch in die alte Weltordnung eingebettet: Hoch die Neutralität (ausgerechnet!) und nicht zurück in den Kalten Krieg, als wäre dies überhaupt die Frage, gibt es doch eine neue geostrategische Weltlage, über die zu reflektieren auch die WOZ nicht herumkommt, wenn schon «Le Monde diplomatique» wegen Mélenchon-Putin-Nähe dazu kaum mehr etwas hergibt.

Sorry, aber für mich ist dies sowohl in Sachen AHV als auch in Sachen Neutralitäts- und Sicherheitspolitik eine verpasste Chance!

Peter Sigerist, Bern

Ausgezeichnete Übersicht

«Zur Abstimmung am 3. März: Die wichtigsten Fragen zur 13. AHV-Rente», WOZ Nr. 3/24

Vielen Dank für die ausgezeichnete Übersicht mit den acht Aspekten. Als ehemaliger langjähriger Familienrichter weiss ich um Armutsfallen in verschiedenen Lebensabschnitten, meiner Erfahrung nach aber am meisten bei Alleinerziehenden. Im Gegensatz zur betagten Bevölkerung können diese nicht auf die Ergänzungsleistungen zurückgreifen.

Das Argumentarium der WOZ müsste eigentlich rückwärts geschrieben werden, begonnen mit der zentralen Finanzierungsfrage. Die Vorschläge sind gut und sollten durch AHV-Beiträge auf Dividenden ergänzt werden. Solange die Finanzierung nicht gesichert ist, geht die Revision auf Kosten der Jungen. Das ist unverantwortbar – so auch das Giesskannenprinzip, das populistisch anmutet. Deshalb ein klares Nein gegen die 13. AHV-Rente.

Bruno Roelli, Luzern

Alle Menschen haben ein Anrecht auf ein würdiges Leben im Alter. Mit den immer höheren Ausgaben für die Miete, die Krankenkassenprämie und Lebensmittel ist das aber nicht gesichert. Gleichzeitig sinken die Pensionskassenrenten seit Jahren – auf sie ist kein Verlass. Gerade für viele Frauen, die hauptsächlich von der AHV leben, reicht es kaum.

Deshalb braucht es eine Stärkung der AHV in Form einer 13. Rente, so wie wir es beim Lohn schon lange kennen.

David Stampfli, Wabern