Pop: Der Dub-Abwart dankt ab

Nr. 8 –

Albumcover «King Perry» von Lee «Scratch» Perry
Lee «Scratch» Perry: «King Perry». False Idols. 2024.

Das letzte Album soll es sein, aber wer weiss: Lee «Scratch» Perry, der 2021 verstorbene jamaikanische Dubproduzent von Weltruf, hat zu Lebzeiten gerne erklärt, er sei eigentlich ein Ausserirdischer. Ihm, der seit den siebziger Jahren wie kein Zweiter immer neue Sounds, Riddims, Versions aus der Vierspurmaschine gewonnen hat, traut man zu, er mache einfach immer weiter, weiter aus dem grossen Off.

Dub: Das ist der perfekte Soundtrack zu diesem entgrenzten Verdacht, so form- und zeitlos – mehr als Technik zeitgenössisch denn als Stil, als eine Machart von Clubtracks und Pop, die sich auf unterschiedlichste musikalische Materialien anwenden lässt. Das demonstriert auch die posthum veröffentlichte Platte «King Perry». Darauf flackern Drum-’n’-Bass-Beats, tastet sich eine Ahnung von Trip-Hop vor, pressiert der Synthwave und werden Popreferenzen gemacht. Mal verhallt, luftig, mal auf Zucker oder für den Tanzboden bestimmt – je nach Gastauftritt. Und die Gästeliste ist lang: Marta (betörend geisterhaft), Greentea Peng (Flow), Shaun Ryder (besingt die grüne Banane), Fifi Rong (den Mitternachtsblues) und Rose Waite (schamloses Hitradio) steuern Gesangsspuren bei. Auch Tricky ist da, auf dessen Label False Idols die vielleicht letzten gesammelten Audiospuren von Perry erschienen sind.

Wer das Vermächtnis oder einen Perry-Schnellwaschgang erwartet, liegt hier doppelt falsch. Dafür ist das Album, obwohl zeitweise reich an Freuden, letztlich ein wenig zu beliebig. So ist das eben, speziell mit der Dubmusik: Nicht der einzelne Track, nicht der Song oder dieses Album könnten sie fassen, fliegt sie sich doch selbst immer davon. Oder wie es in der kleinen Theologie der Tanzmusik (und ihrer Götzen) einmal heissen könnte: Gott ist ein DJ, Jesus sein MC; so verkündet das Album exakt zur Halbzeit – und Lee Perry selbst? Vielleicht für immer Sigrist in diesem Gottes- und Geisterhaus, sozusagen der Abwart des Dub auf Ewigkeit. «I am a Dubby», das singt er uns noch und schliesslich «Goodbye», als angeblich überhaupt letztes eingesungenes Votum. Näher kommt die Wahrheit heute nicht.