Auf allen Kanälen: Freiheit mit Uringeruch

Nr. 14 –

Jon Stewart ist zurück: Der Satiriker und Moderator der «Daily Show» ist eine Art Trostspender fürs liberale Amerika, allerdings darf man seine Rolle nicht überbewerten.

stilisiertes Foto: Relief von John Stewart
John Stewart

Als Jon Stewart 2015 seinen Rückzug als Moderator der «Daily Show» bekannt gab, enthüllte der Fox-News-Host Howard Kurtz etwas, das ohnehin schon die meisten wussten: «Ein schmutziges kleines Geheimnis ist, dass Expert:innen und Politiker:innen es lieben, von Stewart verspottet zu werden.» In dessen Satiresendung aufzutauchen, sei ein Zeichen dafür, dass man es geschafft habe.

Sechzehn Jahre lang hatte Stewart die «Daily Show» moderiert, vier Abende pro Woche das politische Geschehen der USA aus linksliberaler Perspektive aufgearbeitet. Clinton, Bush, Obama, die Präsidenten kamen und gingen – Stewart war immer da. Manche sagen, dass er Trump hätte verhindern können, wäre er doch nur etwas länger geblieben.

Win-win-win

Seit Februar ist Stewart zurück. «A second term we can all agree on» steht auf den Werbeplakaten, die derzeit in New York hängen. «Eine zweite Amtszeit, auf die wir uns alle einigen können.» Ist natürlich ironisch gemeint. Der schlimme Verdacht wäre jedoch, dass der ironische Plakatspruch unfreiwillig eine Wahrheit transportiert: Stewart ist der Satiriker, auf den sich alle einigen können, rechts, links, Mitte. Alle bekommen das, was sie brauchen. Win-win-win.

Das Erste, was auffällt, als Stewart Mitte Februar wieder an seinem Fernsehschreibtisch sitzt: Der Mann, inzwischen 61, scheint perfekt zu altern. Silberne Haare, zartes Stirnrunzeln, schicker Dreitagebart, schlankes Gesicht. Ums Alter geht es dann auch, Bidens natürlich. 81 ist der Präsident, das ist ein Problem. Es ist allerdings auch das offensichtlichste Problem, über das sowieso schon alle reden.

Mit der Chefredaktorin des britischen Nachrichtenmagazins «The Economist», Zanny Minton Beddoes, macht sich Stewart Sorgen, dass der Westen von einem neuen Nationalkonservatismus bedroht werde, von Trump, Putin, Orbán und Konsorten. Früher habe Kommunismus versus Kapitalismus die Welt geordnet, so Stewart, heute Antiwoke versus Woke. Wehmut über den Niedergang eines vernünftigen Konservatismus schwingt da mit. Ach, Kalter Krieg, wo bist du nur.

Eine Woche drauf ist er zurück, der Kalte Krieg! Zumindest in der «Daily Show». Stewart macht sich über ein Interview lustig, das der rechte TV-Moderator Tucker Carlson in Moskau mit Russlands Präsident Wladimir Putin führte, vor allem über Carlsons rosige Beschreibungen des Moskauer U-Bahn-Systems. Spott über die Dumpfbacke Carlson ist zwar irgendwie einfach, allerdings beherrscht Stewart ihn auch wirklich gut. Absurd wird es jedoch, als er in Reaktion auf Carlsons Russlandpropaganda zu einer Verteidigung der Vereinigten Staaten ansetzt, die wiederum auch etwas von Propaganda hat, aber eben liberaler Natur. «Der Unterschied zwischen unseren nach Urin stinkenden, chaotischen U-Bahnen und euren mit Kerzenständern ausgestatteten, schönen U-Bahnen ist der buchstäbliche Preis der Freiheit», so Stewart. Als wäre Freiheit nicht ohne Pissegeruch zu haben. Man bekommt den Eindruck, dass Stewart den Faschonarrativen nur mit einem Nationalstolz der Mitte beikommen kann. Dazu passt dann auch, dass er in einer Sendung einige Wochen später dem mehrfach angeklagten Donald Trump und anderen Republikanern vorwirft, ihren Patriotismus nicht ernst genug zu meinen.

Als es Anfang März um das Thema Immigration geht, greift Stewart nicht nur die rechte «crime panic» Trumps an, sondern betont auch die Heuchelei der Demokrat:innen. Endlich werden die progressiven Zuschauer:innen mal ein kleines bisschen herausgefordert. Das ist ja genau das, was Satire kann: konstruktive Unbehaglichkeit erzeugen.

Kritik und Pathos

Am besten war Stewart über all die Jahrzehnte immer dann, wenn er an der Weltanschauung seines Publikums gerüttelt hat. Mit seiner Mischung aus Kritik und Pathos funktioniert er wie ein Trostspender fürs liberale Amerika. Man könnte es einen Bewältigungsmechanismus nennen, positiv formuliert. Oder eine Betäubungsmaschinerie, aber das klingt dann gleich so dramatisch. Und wenn man an Freud glaubt und von Stewart nichts hält, lässt sich auch eine Art Wiederholungszwang darin sehen, dass politische Satire immer noch so klingt, als wäre es 2015. Überbewerten darf man Stewarts Rolle jedenfalls nicht. Am Ende ist es nur Comedy. Präsidenten kommen und gehen, Stewart ist wieder da. Alles wiederholt sich, bis er wieder geht.