Auf allen Kanälen: Inklusion ist nicht ihre Sternstunde
Servus, Grüezi und Hallo: Der «Alpenpodcast» von drei «Zeit»-Journalisten ist zur Marke geworden und auch nach 300 Folgen ungebrochen populär.
Wenn man sich wirklich von drei Männern die Welt erklären lassen muss, dann halt von diesen drei: In ihrem Podcast «Servus. Grüezi. Hallo.» sprechen die drei «Zeit»-Journalisten Matthias Daum, Lenz Jacobsen und Florian Gasser einmal pro Woche über politische und gesellschaftliche Themen, die sie kompetent auf den gemeinsamen «transalpinen» Nenner herunterbrechen. Sie tun das seit über sechs Jahren, im Mai erscheint die 300. Folge, Woche für Woche schalten 55 000 Hörer:innen ein.
Matthias Daum, der Schweizer Vertreter in der Runde, beschrieb den Podcast im Branchenmagazin «persönlich» einst als eine «Mischung aus seriösem Ernst und Unterhaltungsflair». Soll heissen: Die Themen werden, sofern sie es zulassen, mit einer gewissen Lockerheit präsentiert – ein bisschen Stammtisch, aber nicht zu viel. So gibt der Schweizer gern den Polteri, der gegen die Kollegen stichelt, während der Österreicher über die Wiener Innenpolitik jammert und der Deutsche alle daran erinnert, dass sein Land doch viel grösser sei als die andern beiden.
Dieses Kumpelhafte dürfte einer der Gründe sein, dass den drei Männern gelungen ist, wovon viele Podcaster:innen träumen: Sie sind zur Marke geworden. Wer es nicht an einen der schnell ausverkauften Liveauftritte schafft, kann die Liebe für «Servus. Grüezi. Hallo.» inzwischen auch mit Fantasse, Fanpulli und Fanbauchtasche zeigen. Und 2022 spendierte 3sat den dreien in Zusammenarbeit mit dem SRF sogar einen schmeichelhaften TV-Dokumentarfilm, der das Triumvirat auf seiner Reise durch die drei Länder begleitete.
Männer, die einordnen
Drei Journalisten als gefeierte Stars, die sich auf Lesebühnen inszenieren, Selfies machen und Autogramme verteilen – es wäre ein Leichtes, den Podcast dafür zu belächeln. Man würde damit aber auch verkennen, dass «Servus. Grüezi. Hallo.» immer wieder wertvolle Arbeit leistet, vor allem dann, wenn ein Thema regelrecht nach einer grenzübergreifenden Einordnung schreit. Etwa als die Impfquoten 2021 ausgerechnet in Deutschland, Österreich und der Schweiz gleichermassen bestürzend tief waren. Oder wenn das Trio, wie in einer höchst aufschlussreichen Folge vom Herbst 2023, über die Parallelen des Aufstiegs rechter Parteien in den drei Ländern sinniert – und dabei auch die Vorbildfunktion von SVP und FPÖ für die AfD gekonnt analysiert.
Anders verhält sich das bei Themen, von denen die drei «Zeit»-Journalisten nicht betroffen sind – wenn sie sich mit dem feministischen Streik oder der «Black Lives Matter»-Bewegung auseinandersetzen. In solchen Momenten wirkt es umso irritierender, wenn da ausgerechnet drei weisse Männer im besten Alter sitzen, die das einordnen.
Wie es ausgehen kann, wenn wichtige Stimmen nicht zu Wort kommen, zeigte sich im Herbst 2022: Nach einer Folge, in der Daum, Gasser und Jacobsen salopp über Inklusion an Schulen diskutierten, hagelte es zu Recht Kritik von Zuhörer:innen. In der darauffolgenden Episode spielte das Trio die wütende Sprachnachricht einer Mutter eines Kindes mit Behinderung ein. Diese zweiminütige Brandrede war – wenig überraschend – der aufschlussreichste Beitrag zum Thema «Inklusion an Schulen» in diesem Podcast.
Die Grenzen ihrer Expertise
Dass sie diese kritische Wortmeldung nicht nur aufgriffen, sondern auch in voller Länge ausstrahlten, zeigt: Offenbar gibt es bei «Servus. Grüezi. Hallo.» durchaus eine Sensibilität, was die Grenzen der eigenen Expertise angeht. Den drei Männern scheint zudem nicht entgangen zu sein, dass das Geschlechterverhältnis in ihrem Podcast etwas gar unausgeglichen ist: Bei ihren Liveauftritten, zu denen sie immer wieder auch Gäste begrüssen, sind die drei Journalisten nämlich sehr darum bemüht, die Runde möglichst um eine Frau zu ergänzen.
Vielleicht wäre es nach 300 Folgen also an der Zeit, auch beim eigentlichen Podcast von der reinen Männerrunde wegzukommen? So verhält es sich schliesslich mit jedem Stammtisch: Es wird kein Platz frei, wenn nicht irgendwer einen Stuhl dazustellt. Oder einer Platz macht.
«Servus. Grüezi. Hallo.» gibt es auf allen grösseren Plattformen und auf www.zeit.de.