Auf allen Kanälen: Kurzfutter statt Kontext

Nr. 8 –

Streicht SRF sein «Wissenschaftsmagazin», befördert es die Prekarisierung des Wissenschaftsjournalismus – und seine eigene gleich mit.

stilisierte Grafik mit dem zerrissenen Logo des SRF Wissenschaftsmagazin

Wenn SRF mit den jüngst verkündeten Sparmassnahmen eine «Schockstrategie» verfolgt, wie der Tamedia-Podcast «Apropos» mutmasst, so ist diese aufgegangen. Namentlich die Streichung des «Wissenschaftsmagazins» im Radio hat zu einem Aufschrei in Wissenschaft, Branchenblättern, sozialen Medien und Öffentlichkeit geführt: Gleich drei Petitionen kursieren derzeit, sie alle fordern die Erhaltung der halbstündigen Sendung.

Wissenschaftsjournalismus gehöre zur «Kernaufgabe des Service public» und sei «essenziell für eine funktionierende Demokratie», heisst es im offenen Brief, den der ETH-Klimaphysiker Reto Knutti mit neunzehn weiteren Forschenden lanciert hat. Der Schweizer Klub für Wissenschaftsjournalismus (SKWJ) präzisiert, dass es dabei um «kritische Einordnung und Kontextualisierung» gehe und darum, auch gegenüber der Wissenschaft eine «kritische Distanz» zu wahren. Zumal die Hochschulkommunikation immer weiter ausgebaut wird, während freie Wissenschaftsjournalist:innen ohne Job in der Kommunikation nicht überleben können. Im SKWJ sind die Journalist:innen (Freie in Teilzeit miteingerechnet) längst zur Minderheit geworden. Derweil die PR-Magazine der Hochschulen florieren, sind journalistische Wissenschaftsmedien wie «Higgs» oder die «Ärztezeitung» verschwunden.

Das Zielpublikum protestiert

Das SRF-«Wissenschaftsmagazin» müsse «gestärkt, nicht geschlossen werden», fordern Hörer:innen in ihrer Petition. Für den 22. Februar haben sie zur Demonstration in Basel aufgerufen. Ihr offener Brief entlarvt auch, dass wohl kaum Strategie hinter dem von SRF provozierten Schock gestanden haben dürfte, sondern bestenfalls ein Kommunikationsfiasko: «Die Direktion sagt, wir Hörer:innen wollten solche Magazine nicht mehr hören. Wir sind weder mit dieser Unterstellung noch mit der daraus abgeleiteten Spartat einverstanden.»

Dass sich SRF unter anderem auf eine «Studie» beruft, die zeige, dass Hörer:innen kürzere Beiträge bevorzugten und Wissenschaftsthemen als «Fremdkörper» empfänden, stand am Anfang des Fiaskos. Die Studie ist über vier Jahre alt und beruht auf der Befragung von gerade einmal zwanzig Personen, im Fokus standen ihre Präferenzen rund um Musik. Nachdem die Redaktor:innen des «Wissenschaftsmagazins» in einem Hintergrundbeitrag zur eigenen Abschaffung auf diese «Studie» verwiesen und redaktionelle Unmutsbekundungen auf Linkedin eine breite Debatte ausgelöst hatten, folgte die Fortsetzung des Fiaskos: SRF verpasste den fehlbaren Mitarbeiter:innen einen «Maulkorb» – so nannte Knutti den Umstand, dass plötzlich alle Posts mitsamt der Debatte im sozialen Netzwerk verschwanden. Im Branchenblatt «Persönlich» war auch von «Zensur» die Rede.

Was aber, wenn diese Fehlleistungen in der Kommunikation von SRF letztlich gar keine waren, sondern die Fortsetzung einer medialen Ausrichtung, die Reichweite mit Relevanz gleichsetzt – oder besser: verwechselt?

Lieber Wellness und Büsis

Vieles deutet darauf hin. Bereits 2021 wurde der «Kontext» – entgegen den Resultaten einer Befragung von gut 250 Hörer:innen und dem «Bekenntnis» der Direktion zu längeren Formaten – auf einen Bruchteil reduziert und die Wissenschaft gleich ganz aus der Sendung gekippt. Jetzt wird der «Kontext» ganz abgeschafft. Und die bislang auf breite Expertise gestützte Radio-Wissenschaftsredaktion soll um ein Drittel dezimiert werden. Statt kritische Wissenschaftsfeatures zu produzieren, hat sie künftig Primetimesendungen wie «Echo der Zeit» oder «Tagesschau» mit aktuellem Kurzfutter zuzudienen und an leicht verdaulichen TV-Formaten wie «Einstein» oder «Puls» mitzuwirken. Ihr Podcast «Kopf voraus» ist bereits in «SRF Wissen» im ersten Programm überführt worden, wo ein Team ohne wissenschaftliche Sachkenntnisse die publizistische Hoheit innehat. So werden dem Wissenschaftsjournalismus bei SRF die Zähne gezogen.

Das Muster ist aus privaten Medienhäusern bekannt: Wissenschaftsredaktionen werden verkleinert (Tamedia), zusammengelegt (NZZ und «NZZ am Sonntag») und in Lifestyleressorts integriert: Hunde, Büsis und Wellness bekommen seither prominente Auftritte.

So macht sich SRF selber überflüssig.

Demo am Sa, 22. Februar 2025, um 14 Uhr in Basel (Meret-Oppenheim-Platz).

Petitionen: 
wecollect.ch
www.openpetition.eu
www.science-journalism.ch