Film: Abdrehen auf Anabolika
Nicht nur in Hollywood verlangt der Zeitgeist schon länger nach sogenannt starken Frauenfiguren. Eine trotzige feministische Antwort darauf lautet: Hier habt ihr eine Bodybuilderin, oder war das etwa nicht so gemeint?
Vor ein paar Jahren hatte auch der Schweizer Film seine erste Kraftsportlerin als Titelheldin: Das war «Pearl» von Elsa Amiel, mit der Profibodybuilderin Julia Föry in der Hauptrolle. Ein richtig gut definiertes Kammerspiel, das bei uns leider ziemlich unter dem Radar lief: In der Deutschschweiz hatte der Film nicht einmal einen Kinostart. Der britischen Regisseurin Rose Glass wird das nicht passieren. Nach ihrem Debüt über eine brutal fromme Krankenschwester («Saint Maud») schickt sie jetzt erneut einen ungeheuren Frauenkörper los, diesmal im Jahr 1989 in der heruntergerockten Westernlandschaft von New Mexico.
Die Bodybuilderin Jacqueline (Katy O’Brian) ist auf dem Weg zu einem Wettkampf in Las Vegas, als sie in einem tristen Kaff hängen bleibt, das von zwei sehr amerikanischen Einrichtungen geprägt ist. Beide sind sie stark männlich codiert: ein Schiessplatz, wo die Durchreisende etwas Geld verdienen will, und ein Kraftraum, wo sie pumpen geht. Von Lou (Kristen Stewart) bekommt sie hier gleich auch Anabolika gespritzt, und eins führt zum anderen.
So baut er sich langsam auf, dieser böse romantische Thriller über eine lesbische Liebe und das System patriarchaler Gewalt, die hier überall zum Alltag gehört – bis Jack, wie Jacqueline von Lou genannt wird, dieses scheinbar ausweglose Regime eigenhändig und auf sehr unappetitliche Weise aufbricht. Als das Liebespaar schliesslich in die Domäne des irren Patriarchen (Ed Harris) vordringt, bei dem alle Fäden zusammenlaufen, dreht «Love Lies Bleeding» für einen grandiosen Moment ins Fantastische ab.
Das märchenhafte Happy End wird dann buchstäblich nochmals ausgebremst, als sei es der Regisseurin doch nicht ganz geheuer gewesen: Ihr wollt queere Outlaws, die glücklich davonkommen? Die gibts leider auch nicht umsonst.