Pop: Clubmusik aus Stein und Schnee

Nr. 17 –

Albumcover von «Hidden Tracks. Domodossola–Weissmies»
Julian Sartorius: «Hidden Tracks. Domodossola–Weissmies». Everest Records. 2024.

Ende März am Jubiläum des St. Galler Kulturzentrums Palace: Julian Sartorius trommelt sich durch den engen Gang hinter der Bühne, spielt auf Möbeln, Heizkörpern, bröckelndem Verputz. Im Heizungskeller findet er drei Metallstühle, die klingen wie ein indonesisches Gamelan. Der Schlag auf den weichen Plastikbezug eines Barhockers tönt hingegen verblüffend wie ein elektronischer Effekt. Und erst die Kleiderbügel …

Der Berner gehört zu den virtuosesten Schlagzeuger:innen der Schweiz. Schon in vielen Städten hat er solche «Soundwalks» unternommen. Für sein neues Album suchte er den maximalen Höhenunterschied: Er wanderte von Domodossola (272 Meter ü. M.) auf den Gipfel des Weissmies (4017 Meter ü. M.), vom Piemont ins Wallis.

Unterwegs spielte er auf etlichem, was er antraf: auf Leitplanken, Wegweisern, Hauswänden, Holz, Wasser, Schnee und Steinen. Die Aufnahmen der jeweiligen Höhenstufe kombinierte er anschliessend zu Musikstücken.

Auf «Hidden Tracks. Domodossola–Weissmies» ist Zuhören ein Ratespiel: Was klingt da so melodisch-metallisch am Anfang? Woher kommen die vollen Basssounds zwischen 1000 und 1500 Metern über Meer? Mit zunehmender Höhe werden die Steine dominanter: Ganze Xylofone hat Sartorius im Fels gefunden. Erst mischen noch Motoren, bellende Hunde, Kirchenglocken und Wassersprenger mit, weiter oben Grillen, Murmeltiere, Schafe, Dohlen und ein Helikopter. Sartorius legt Aufnahmen übereinander, aber programmiert nichts dazu, verfremdet nichts. Im «Palace» erzählt er, er treffe immer wieder Leute, die ihm das nicht glaubten.

Dann ist er oben. Das Stück vom Viertausender ist keine Feier des «eroberten» Gipfels, sondern das leiseste und bescheidenste des Albums. Sartorius spielt mit Steinchen, die auf Steinplatten fallen, mit rieselnden und schabenden Geräuschen und mit Schnee. Irgendwo tief unten fliesst Wasser. Der Schnee klingt auch so elektronisch.