Palästina / Israel: «Das Völkerrecht gilt für alle»
Es ist eine banale Erkenntnis, könnte man meinen. Trotzdem hielt es Karim Khan für nötig, sie zu unterstreichen: «Das Völkerrecht gilt für alle.» Khan, Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, hat am Montag Haftbefehle gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu, gegen dessen Verteidigungsminister Joaw Galant sowie gegen drei führende Köpfe der Hamas, Jahja Sinwar, Mohammed Deif und Ismail Hanija, beantragt.
Umgehend nach der Bekanntgabe reagierten die Kriegsparteien mit Empörung: Mit seinem Antrag ziehe Khan Parallelen zwischen einem demokratischen Staat und einer Terrororganisation, sagte der israelische Oppositionsführer Benny Gantz. Die Hamas liess verlauten, Khan vergleiche Opfer mit Henkern. Es sind erwartbare Reaktionen und Abwehrreflexe von Kriegführenden. Doch dass nun auch manche Kommentator:innen sowie das deutsche Aussenministerium vor dem «unzutreffenden Eindruck der Gleichsetzung» warnen, den die Anträge hervorrufen würden, ist äusserst bedenklich.
Nicht nur, weil der Vorwurf, Khan betreibe mit seinem Antrag auf Haftbefehle eine Gleichsetzung der Verbrechen beider Seiten, offensichtlicher Unsinn ist. Khans Entscheidung fusst darauf, dass er «realistische Gründe zu der Annahme» sieht, dass sowohl die Hamas mit dem Terrorangriff am 7. Oktober wie auch die israelische Regierung im Gazastreifen Kriegsverbrechen begangen haben. Weder setzt er die Verbrechen beider Seiten in ein Verhältnis zueinander, noch leitet er daraus ein Urteil über das Wesen Israels oder der Hamas ab.
Der Vorwurf der Gleichsetzung impliziert im Extrem, dass Israel als Demokratie gar nicht in der Lage wäre, Kriegsverbrechen zu begehen – als würde sich beides gegenseitig ausschliessen. Auch Demokratien sind nicht davor gefeit, grausame Verbrechen zu begehen. Eine ihrer Eigenschaften sollte es aber sein, sich an geltenden völkerrechtlichen Normen messen zu lassen.