Pop: Doktortitel im Masturbieren

Nr. 21 –

Albumcover «Hit Me Hard and Soft» von Billie Eilish
Billie Eilish: «Hit Me Hard and Soft». Darkroom / Interscope Records. 2024.

«Möchtest du dich hinsetzen? Ich melde mich freiwillig», singt Billie Eilish und zeigt auf ihren Mund; in weitem Skaterlook bewegt sie sich durch das Video zu «Lunch», diesem ebenso expliziten wie verschmitzten Stück über eine Frau, die von ihr begehrt wird: «I could eat that girl for lunch.» Mit gleicher Leichtigkeit erzählte sie dem Magazin «Rolling Stone» ausführlich, wie sie sich – auch für ein besseres Körpergefühl – vor dem Spiegel selbst befriedigt: «Ich hätte einen Doktortitel im Masturbieren verdient.»

Auf ihrem ersten Album, «When We All Fall Asleep, Where Do We Go?», brachte Eilish ein Grundgefühl des Teenagerseins meisterhaft auf den Punkt: diese Mischung aus Härte, Coolness und der Angst, jeden Moment in tausend Stücke zu zerbrechen. «Happier than Ever» zwei Jahre später untersuchte das Erwachsenwerden in der Öffentlichkeit und die damit verbundenen Unsicherheiten. «Hit Me Hard And Soft» eröffnet nun mit «Skinny», einer Ballade, die in ihrer Suchbewegung dicht an «What Was I Made For?» anschliesst. Für ihren umwerfenden «Barbie»-Titelsong gab es letztes Jahr einen Oscar, «Skinny» fragt nun erneut nach dem eigenen Platz in der Welt – und lässt leise Versöhnung mit sich selbst zu.

Wie die vorherigen Alben wurde «Hit Me Hard and Soft» von Eilishs Bruder Finneas O’Connell produziert. Immer wieder nehmen diese Songs unerwartete musikalische Wendungen: «L’amour de ma vie» wandelt sich von einem spärlich instrumentierten, ganz auf die Stimme konzentrierten Stück zu einer Trancenummer mit leidenschaftlichen Autotune-Rufen; «Bittersuite» schwankt zwischen einem kühl vor sich hin plätschernden Reggaebeat und düster verzerrten Synthesizern.

Auch «The Diner» spielt mit einem langsam im Dunkeln versinkenden Reggaetakt. Hier singt Eilish aus der Perspektive eines immer verzweifelter werdenden Stalkers – auch das ein Teil ihres bewussten Umgangs mit dem eigenen Leben im Scheinwerferlicht. Noch auf dem letzten Album standen dabei die Zweifel im Vordergrund; auf «Hit Me Hard and Soft» klingt Eilish befreiter denn je.