Pop: Das Vermissen vertonen

Wenn nichts mehr hilft, hilft Musik. Und nach dem Tod? Auch, irgendwie. Zumindest hat Fabi Reyna beschlossen, dem Verlust ihres Bandpartners Nectali Díaz auf diese Weise zu begegnen. So bringt sie das gemeinsame Projekt Reyna Tropical weiter und schickt nun, zwei Jahre nach Díaz’ tödlichem Unfall, das zusammen begonnene Debütalbum in die Welt: «Malegría» setzt der Leere zwanzig Tracks entgegen. Da sind Gitarrenloops und Drumbeats (aus kolumbianischen, kongolesischen und peruanischen Rhythmen), Fabi Reynas sanfter, fast flüsternder Gesang, dazu Field Recordings von Vogelstimmen und dem Meer.
Sosehr die Songs nach Sonne auf der Haut klingen – Reynas spanische Texte kreisen oft im Schatten: Sie handeln von unserem fieberkranken Planeten, von den Rassismen, denen ihre indigenen Vorfahr:innen ausgesetzt waren und die bis heute wirken, vom unfassbaren Vermissen des besten Freundes Nectali. Der Tod schimmert durch, gleichzeitig rufen die queeren Lyrics die Freude am Tanzen, an der Leichtigkeit wach – auch das Tempo pendelt zwischen dringlich («Lo siento») und ruhig («Movimiento»). Es ist dieses Nebeneinander, das «Malegría» prägt.
Zwischen den Songs sind Jamsession-Gespräche (meist auf Englisch) eingeschoben, wir hören Díaz’ Stimme. Das wirkt keineswegs gespenstisch-düster, denn «Malegría» lässt sich bei aller Trauer nie von Schwermut niederdrücken – die Vergänglichkeit fächert sich auf; so kommt die Frage auf, wie man ihr begegnen will. Fabi Reyna geht diesem Kummer nicht aus dem Weg, lässt aber auch nicht zu, dass er Erinnerungen verwäscht. Trotz allem, was nicht mehr sein kann, sind da noch viel Liebe und Wärme.
«You can celebrate sadness, but being able to dance it off is very important to me», sagt Díaz im Titeltrack: die Traurigkeit zelebrieren, sie aber auch wegtanzen können. So markiert das Album weniger einen Abschied als den Versuch einer Begegnung, die ins Morgen führt, in das Nachglühen der gemeinsamen Zeit. Und jetzt: Los ins Leben. Das Vermissen bleibt.