Medikamentenkrise: Lokaler Eingriff, globale Wirkung
Ein steuerfinanzierter Fonds in Basel-Stadt soll weltweit zur sicheren Arzneimittelversorgung beitragen: Das will die Gruppe «Pharma für alle». Diese Woche lanciert sie eine entsprechende Initiative.
Zuerst waren vor allem die Spitäler betroffen. Inzwischen sind auch in Apotheken essenzielle Medikamente wie Schmerzmittel oder Antibiotika nur noch schwer oder gar nicht mehr erhältlich. In der Schweiz etwa sind laut der Datenbank drugshortage.ch aktuell rund 7,6 Prozent aller rezeptpflichtigen Arzneimittel von Lieferengpässen betroffen.
Der Grund dafür ist in der kapitalistischen Wirtschaftsweise zu suchen: Grosskonzerne wie Novartis haben sich wider jede gesundheitspolitische Vernunft aus dem Geschäft mit gängigen Medikamenten zurückgezogen – und konzentrieren sich lieber auf patentierbare Neuentwicklungen, für die sie exorbitante Monopolpreise verlangen können. Dadurch wandern Milliarden in die Taschen von Aktionär:innen statt in die Gesundheitsversorgung. Hersteller von Generika und Standardmedikamenten lassen die Wirkstoffe derweil mehrheitlich in Indien oder China herstellen, wo die Löhne tief und die Umweltauflagen locker sind. Fällt dort die Produktion aus, kann das globale Folgen haben. Was aber tun gegen diese Versorgungskrise?
Alle Versuche, den Pharmakonzernen mit Regulierungen beizukommen, sind bislang gescheitert. Nun greift eine Gruppe namens «Pharma für alle» im Kanton Basel-Stadt, dem Pharmahotspot schlechthin, zum Mittel der Volksinitiative. Diesen Freitag gibt der Zusammenschluss die Lancierung bekannt.
Produktion ohne Profitzwang
Die Grundidee: Dem Gruppenmonopol der grossen Pharmakonzerne will die Initiative einen Verbund aus gemeinnützigen Forschungs-, Produktions- und Vertriebseinrichtungen entgegensetzen. Aus einem eigens eingerichteten Fonds sollen gemeinnützige Projekte unterstützt werden – mit dem Ziel, dass die Einrichtungen gemeinsam und ohne Profitzwänge wichtige Medikamente entwickeln, produzieren und weltweit vertreiben können.
Dank der OECD-Mindeststeuer, wie sie 2023 an der Urne gutgeheissen wurde, kann der ohnehin schon reiche Kanton künftig mit Mehreinnahmen von rund 270 Millionen Franken pro Jahr rechnen. Die Initiative schlägt vor, rund ein Viertel davon in den Fonds einzuzahlen – nach derzeitigem Stand etwa siebzig Millionen Franken. Über die Verwendung der Gelder würde dann eine Kommission mit Vertreter:innen aus Politik, Wissenschaft und NGOs befinden, die in keinem Abhängigkeitsverhältnis zu den Pharmafirmen stünden.
Die Idee für die Initiative geht auf eine 2014 gegründete Fachgruppe des linken Thinktanks Denknetz zurück. Die Gruppe Pharma für alle wiederum bildete sich Ende 2022 im Anschluss an die Vernissage des Buchs «Pharma fürs Volk» von Ex-Denknetz-Geschäftsführer Beat Ringger. Bemerkenswert ist, dass sich darin neben diversen linken Parteien und Organisationen wie Multiwatch oder dem Forum für kritische soziale Arbeit mit der SP Basel-Stadt auch eine Akteurin findet, die jahrzehntelang eine grosse Nähe zu Big Pharma pflegte.
International gibt es im Pharmabereich bereits heute zahlreiche gemeinnützige Akteure wie etwa die National Institutes of Health in den USA oder die Global Antibiotic Research and Development Partnership (GARDP). In der Schweiz zählt dazu die Zürcher Kantonsapotheke, die jährlich rund 285 000 Einheiten Arzneimittel produziert. Eine Idee von Pharma für alle ist es denn auch, mithilfe des Basler Fonds die Kantons- und Spitalapotheken sowie weitere Medikamentenhersteller im Land beim Aufbau neuer Produktionskapazitäten zu unterstützen.
Einsatzbereiche für den Fonds
Überhaupt, so betont Ringger, der inzwischen Sekretär von Pharma für alle ist, könnte die Schweiz im Rahmen eines Verbunds, wie ihn die Initiative fordert, eine wichtige Rolle einnehmen – zumal der Anteil der Pharmabranche an der nationalen Wirtschaft nirgends sonst so gross ist. Hinzu kommt, dass die WHO, die GARDP oder die gemeinnützige Organisation für Arzneimittelforschung und -entwicklung DNDi hierzulande ihren Sitz haben.
Neben den aktuellen Versorgungsengpässen sieht Ringger zwei besonders wichtige Bereiche, in denen der Fonds zum Einsatz kommen könnte: in der Grundlagenforschung und in der Entwicklung neuer Antibiotika, die den grossen Konzernen zu wenig profitabel ist. Die Folgen des Rückzugs aus diesem Gebiet sind verheerend: Mittlerweile sterben jährlich rund fünf Millionen Menschen an und mit antibiotikaresistenten Keimen – die weitaus meisten davon im Globalen Süden.
Eine zweite Priorität sieht Ringger bei sogenannten Immunzelltherapien. So könnte der Fonds dabei helfen, dass die Krebsbekämpfung nicht zur Zweiklassenmedizin wird: Ursprünglich in Spitälern entwickelt, dringen inzwischen grosse Pharmakonzerne in dieses neue Anwendungsgebiet ein. Sie belegen bestimmte Verfahren mit Patenten und bringen exorbitant teure Medikamente auf den Markt, derweil etwa die Schweizer Unispitäler für ihre gemeinsame Laborplattform für Immunzelltherapien nur über sehr wenig Geldmittel verfügen.
Geht es nach dem «Pharma für alle»-Komitee, soll die Initiative 2027 zur Abstimmung kommen.