Film: Schamane in der Pubertät

«Grossvater Geist» raucht erst mal eine Zigarette. Dann gibt er einem besorgten Vater mit tiefer Stimme Ratschläge, wie er seinem alkoholkranken Sohn helfen kann. Am Ende der Zeremonie wird die Schamanentrommel geschlagen, und der siebzehnjährige Ze (Tergel Bold-Erdene) legt seine aufwendig mit Federn, Augen und Fäden geschmückte Maske wieder ab. Am nächsten Tag wird er von seinen Mitschüler:innen gehänselt, die sich über einen Porno auf einem Smartphone amüsieren: Was sein «Geist» denn tue, während er masturbiere? Im Verlauf von «City of Wind» wird sich Ze verlieben, sich planlosen Autoritäten widersetzen, mit seiner Identität als Schamane hadern und träumend über die mongolische Hauptstadt Ulan-Bator fliegen.
Erwachsenwerden ist ja nie einfach: Die Zukunft mit ihren Potenzialen, Verantwortlichkeiten und Abgründen schiebt sich langsam über die Welt der Kindheit; eine kurze oder auch längere Zeit lebt man in zwei Welten, den Widersprüchen beider ausgesetzt. In Zes Fall gesellen sich noch weitere Realitäten hinzu, die miteinander in vermeintlich dualistischen Konflikten stehen: Fieberhafte Modernisierungsprozesse treffen auf eine wirtschaftlich bescheiden lebende Bevölkerung, die wie Ze zu grossen Teilen noch in Jurten lebt; und die Tradition des Schamanismus, in der die Grenzen zwischen «Natur» und «Zivilisation», Körper und Geist, Leben und Tod, Traum und Wirklichkeit weniger strikt sind, trifft auf die neue Welt von Internet, Fast Fashion und Rohstoffabbau.
Dass keine dieser Realitäten in sich geschlossen ist, zeigt Lkhagvadulam Purev-Ochir in ihrem ersten Spielfilm unaufdringlich, aber überzeugend. Und auch wenn die grobe Handlungsstruktur etwas gewöhnlich wirken mag, gelingt es der jungen Regisseurin dank ihres nüchternen Blicks und des natürlichen Spiels der Darsteller:innen immer wieder, sich produktiv zu verzetteln – wobei auch Momente aufblitzen, die sich nur in jenen halb geträumten Zwischenwelten abspielen können, die sonst Schaman:innen vorbehalten sind.