Film: Traurig hat kein Geschlecht

Warum er in der Umkleidekabine wütend geworden sei, fragt die Mutter ihr achtjähriges Kind (eindrücklich: Sofía Otero). «Weil du mich Aitor genannt hast.» Wie sie ihn denn sonst nennen solle? Cocó, seinen Spitznamen, hasse er doch. «Nenn mich einfach gar nichts.»
Sprache ist unerbittlich. Über jemanden zu sprechen, ohne Annahmen über das Geschlecht zu treffen, bedarf einiger Anstrengung (die viele nicht zu leisten bereit sind). Das gilt erst recht für Sprachen wie das Spanische, bei denen auch die Adjektive an das Geschlecht angepasst werden müssen. Kein Kind kann einfach nur schön oder brav sein, sondern muss immer schon ein «guapo» Junge oder ein «buena» Mädchen sein. Es gibt Ausnahmen wie «triste – traurig». Und dann gibt es Sprachen wie das Baskische, die kein grammatisches Geschlecht kennen.
Etwas ohne Namen existiere nicht, sagt die Tante mitfühlend, aber bestimmt zum traurigen Kind, das «gar nichts» genannt werden möchte. Da beschliesst es, einen neuen Namen für sich auszuwählen. Es spricht ihn zum ersten Mal bei einem Wasserfall aus, bevor es mit einem befreundeten Mädchen die Badekleidung tauscht: «Mein richtiger Name ist Lucía.» Leicht überrascht betrachtet das Mädchen die nackte Lucía und meint bloss, dass es in ihrer Klasse auch einen Jungen mit einer Mumu habe.
Die baskische Regisseurin Estibaliz Urresola Solaguren braucht in ihrem sanften und berührenden ersten Spielfilm kaum grosse dramatische Momente, um von der inneren Transformation nicht nur Lucías, sondern auch ihrer Familie zu erzählen. Es gibt Widerstände, gewiss, wie auch die Angst davor, «was die Leute sagen»: über Lucías lange Haare oder darüber, dass es die Eltern «ihrem Sohn» erlauben, zur Taufe des Cousins ein Kleid anzuziehen.
Aber noch vielmehr gibt es die Liebe und den Wunsch, das Kind zu verstehen, ihm zuzuhören, seine Gefühle ernst zu nehmen. Und ihm, wie es die Tante tut, noch weitere gute Ratschläge zu geben. Wie etwa zur Hygiene: «Der Penis eines Mädchens sollte immer blitzsauber sein.»