Von oben herab: Zieh mit, wähl Schmitt
Stefan Gärtner über Zeit und Geld
«Who wants to live forever?», fragten Queen, als ich jung war, und vierzig Jahre später muss ich sagen: «Ich nicht.» Weil, es wird im Alter nichts besser, Zähne, Knochen, und das passt natürlich, dass ich neuerdings ständig in irgendwelchen Wartezimmern sitze, weil ja bekanntlich alles kaputtgeht, nicht wahr, und warum also ich nicht.
Natürlich ist auf meiner Morgenzeitung Trump vorn drauf, der, das muss man ihm lassen, das haargenau Richtige getan hat, als er sich nach dem Streifschuss des Attentäters schnell in die Kamera streckte, um ein Bild zu provozieren, das die Wahl entscheiden wird. Der Attentäter hatte ein Sturmgewehr AR-15 dabei, eins von denen, die nur deshalb nicht verboten sind, weil das Republikaner und Trumpistinnen nicht wollen, und darum ist jetzt ein Zuschauer tot und wird ein Mann Präsident, der Spass daran hat, alles kaputt zu machen, ein Kettensägenmann auch er. Es gibt genügend Leute, die das lieben, und ein Politologe von der Uni Siegen hat jetzt gefragt, ob es wirklich so sei, dass die Demokratie in Gefahr wäre, doch wohl allenfalls die liberale, rechtsstaatliche, denn wenn Demokratie sei, dass die Leute kriegen, was sie wollen, dann hätten wir sie doch.
So muss man das vermutlich sehen, und im reichen Kanton Zug sind die öffentlichen Kassen trotz (oder, hahaha: wegen!) Niedrigsteuer derart voll, dass die Kantonsregierung nicht mehr weiss, wohin mit dem ganzen Geld, und also die Krankenkassenbeiträge subventionieren will an einem Ort, wo das im Wesentlichen niemand nötig hat. «Es sieht so aus, als ob sich die Reichen wieder einmal selbst belohnen, während der Rest der Schweiz nur zuschauen kann», kommentierte ein «Blick»-Leser verdrossen, und im Vermischten meines Morgenblatts war denn auch von einer indischen Superreichenhochzeit die Rede, die mindestens 100 Millionen, vielleicht auch 600 Millionen US-Dollar gekostet hat. Der Rest Indiens hat, selbstverständlich über die äusserst nötigen Sozialkanäle, nur (oder eigentlich sehr gern) zugeschaut, wie die Reichen hier mit jenem Geld warfen, das andere für sie verdienen, und diese anderen wählen dann zum Ausgleich einen Kretin, der Indien, America oder Deutschland first verspricht. Es ist, wie es ist, und es ist wunderbar.
Dagegen machen die Zuger, «Blick»-Leser Martin Wüst hat recht, «alles richtig. Sie sind offen, liberal und wirtschaftsfreundlich», und die Wirtschaft verdiene dann für alle das Geld. «Links-grün dominierte Kantone könnten sich daran ein Beispiel nehmen», und was sie nur immer mit dem Links-Grünen haben: Weniger links war Europa seit Hitler nicht, und während du, liebes Publikum, das hier liest, verschwinden zwanzig Fussballfelder Regenwald, was Trump und Milei und die ganzen anderen Arschlöcher völlig in Ordnung finden. Das wäre nicht schlimm, wenn die Leute, die den Arschlöchern ihre Stimme geben, das nicht ebenfalls in Ordnung fänden, weil es die woken Weiber und Elitären nämlich nicht in Ordnung finden, und so weit hat es die Welt gebracht, Carl Schmitt glänzend zu bestätigen: «Die spezifisch politische Unterscheidung, auf welche sich die politischen Handlungen und Motive zurückführen lassen, ist die Unterscheidung von Freund und Feind.» Und wiederum im Morgenblatt der Bericht, wie ein kleiner südwestdeutscher AfD-Abgeordneter zum Tiktok-Star hat werden müssen, mit Sprüchen wie: «Abschieben, bis die Startbahnen glühen.» Das findet die Jugend geil, schon weils Tiktok ist, und dann eben doch die Erkenntnis, dass die Welt in der Hauptsache von Dumm- und Gemeinheit zusammengehalten wird, vermutlich sogar über die Systeme hinweg.
«There’s no chance for us, it’s all decided for us», sangen Queen, als ich jung war, und meinten den unsterblichen Highlander: «Forever is our today.» Andersherum wird ein Schuh daraus: Today is our forever. Ich wünsche schöne Ferien.
Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er jede zweite Woche das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.
Sein Buch «Terrorsprache» ist im WOZ-Shop erhältlich unter www.woz.ch/shop.