Kino: Okkulte Sinfonie

Nr. 32 –

Filmstill aus «Longlegs»: ein Mädchen steht im Schnee vor einem Haus
«Longlegs». Regie: Oz Perkins. USA 2024. Jetzt im Kino.

Bereits den schneeweissen Anfang durchzieht jene bedrohliche Atmosphäre, die jedes Bild bis zum Ende erfüllen wird. Ein Auto hält vor einem einsamen Haus. Angelockt vom Motorengeräusch, tritt ein Mädchen hinaus in den Garten, wo das Böse bereits auf sie lauert: Auftritt Nicolas Cage als titelgebender Serienkiller Longlegs. Willkommen in der eigenwilligen und ungemein faszinierenden Welt von Regisseur Oz Perkins.

Die mit aussergewöhnlicher Intuition ausgestattete junge FBI-Agentin Lee Harker (Maika Monroe) wird von ihrem erfahrenen Kollegen Carter (Blair Underwood) zu einem rätselhaften Fall hinzugezogen: Immer wieder schlachten Familienväter ihre Liebsten mit Haushaltsgegenständen ab. Am Tatort finden sich jeweils kryptische Nachrichten, unterzeichnet mit dem Namen «Longlegs».

Die Spuren verlieren sich. Lee Harker allerdings kommt dem psychopathischen Mann, der hinter der Mordserie steckt, erstaunlich schnell auf die Spur – und muss alsbald feststellen, dass doch ganz andere Mächte am Werk sind.

In den USA wird «Longlegs» bereits als unheimlichster Film des Jahrzehnts gehypt. Das ist sicherlich übertrieben. Herausragend ist der Film auf jeden Fall. Erstaunlich am Erfolg an den Kinokassen: Nichts an dieser düsteren Okkultismussinfonie ist irgendwie gefällig. «Longlegs» ist fern vom Mainstream und taucht in kühl komponierten, albtraumschönen Bildern in jenes Trauma hinab, das der Familie bei allem schönen Schein bisweilen innewohnt. Wenn dann eine Mutterfigur zum Vater des Bösen wird, ist dies nur eine der verstörenden Windungen im Abgrund.

Nicolas Cage ist dabei das pochende Herz dieses grandiosen Films. Mit einer von Verletzlichkeit durchzogenen Theatralik, die sich bis in den expressiven Exzess steigert, hat der Hollywoodstar eine Figur für die Kinogeschichte geschaffen. Die Seele aber ist die undurchschaubare Maika Monroe, die ihre Lee als das wahre Geheimnis dieses Schreckens anlegt. Ein letzter Tipp: Man sollte ohne weiteres Vorwissen in diesen Film gehen. Nur dann wird das Grauen seine volle Pracht entfalten.